Jesus wird eines Tages von den Hohepriestern und den Schriftgelehrten auf die Probe gestellt und gefragt, ob es erlaubt sei, dem römischen Kaiser Steuer zu bezahlen.
Hätte Jesus mit ja geantwortet, hätten sie ihn die Leiter der Juden vor dem Volk diskreditieren können. Jeder hätte gewusst, dass Jesus die Besatzungsmacht unterstützt. Hätte er mit nein geantwortet, hätten sie ihn verklagen können. Da ist einer, der sich weigert, Steuer zu zahlen.
Wir kennen aber die weise Antwort, die Jesus gegeben hat und die seinen Gegnern zum Schweigen gebracht hat:
Dann gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Matthäus 22,21
Dieses berühmte Zitat ist später als Argument für die Trennung von Religion und Staat geworden. Im Gegensatz zum Islam zum Beispiel, der in seiner konservativen Form keine Trennung von Religion und Staat befürwortet, ist das Christentum ein Glaube, der den Laizismus befürwortet. Das heißt: der Staat soll religiöse Freiheit gewährleisten und sich nicht in die Kirchenangelegenheiten einmischen. Dagegen ist es nicht die Aufgabe der Kirche, Politik zu betreiben, sondern ihre Aufgabe darin besteht, das Evangelium zu verkündigen.
Aber ist damit alles gesagt worden? Was bezweckte in Wirklichkeit Jesus, als er diese Worte sagte? Ich denke, er wollte mehr sagen als: ich bin nicht gekommen, um Politik zu machen. Was fragte er den Juden? Wir lesen in Matthäus 22,20:
Wessen Bild und Aufschrift ist das?
Die römischen Münzen trugen das Bild des Kaisers. Sie wurden von den Römern gestochen und aus diesem Grund gehörten sie Rom.
Aber der Mensch, wem gehört er eigentlich? Gott natürlich, der ihn zu seinem Ebenbild erschaffen hat (1.Mose 1,27). Die Hohepriester und die Schriftgelehrten hatten sich von Gott entfernt, dadurch, dass sie ihre eigene Ehre mehr suchten als Gottes Ehre. Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt, um die Gäste zu der königlichen Hochzeit einzuladen, aber die Gäste haben das Angebot abgelehnt. In Matthäus 22,8 sagt der König zu seinem Knechten:
Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Gäste waren’s nicht wert
Welche Undankbarkeit! Wie undankbar ist der Mensch, wenn er Gott nicht gibt, was ihm gehört!
„Wir sollen Gott geben, was ihm gehört“ bedeutet für uns, dass wir uns Gott zur Verfügung stellen sollen, weil er uns nach seinem Bild erschaffen hat. Deshalb kann Paulus in Römer 12,1 sagen:
Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.
„Aber der Mensch, wem gehört er eigentlich? Gott natürlich, der ihn zu seinem Ebenbild erschaffen hat …“ Ohne Zweifel lässt sich diese Auffassung im AT finden: Die Israeliten als Sklaven/Diener – Eigentum – Jehovas. Betrifft sie aber auch den Neuen Bund?
Jesus „kam in sein Eigentum“ (Joh 1), damit scheint es so zu sein, dass wir die Knechte/Sklaven Gottes sind, die seine Gebote ohne Hinterfragen auszuführen haben. Was aber sagt, macht Jesus beim Abendmahl (dem Mahl, das die Befreiung aus der Knechtschaft feiert)? Er zeigt sich selbst als Sklave/Diener und sagt: „Ich sage hinfort nicht, dass ihr Knechte/Sklaven seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde seid…“ Er gibt freiwillig den Geist der Freundschaft. Wie sagte er zu den „Juden“: „Die Wahrheit wird euch frei machen!“ Gott zeigt sich nicht mehr als Herr/Gebieter über seine Sklaven, die seinen Befehlen buchstäblich folgen müssen, sondern gibt den Geist seiner Freundschaft…
Jesus nennt seine Jünger Freunde, weil sie durch seine Erlösung das Privileg empfangen, Söhne Gottes und gleichzeitig Erben zu werden. Sie empfangen auch den Geist, der sie fähig macht, in das Herz Gottes zu schauen. Als Söhne oder Töchter sind wir zwar juristisch keine Sklaven mehr, wir gehören trozdem als Kreaturen immer noch unserem Schöpfer. Als Antinomist stehst du offenbar vor dem gleichen Problem wie beim Gesetz. Begnadigt zu sein heißt nicht, dass ich keinem Gehorsam mehr verpflichtet bin. Adoptivkind zu sein, bedeutet ebenso nicht, dass ich kein Eigentum Gottes mehr bin. Was du offensichtlich gar nicht verstanden hast, ist, dass Gott auch als Vater zu fürchten ist. Der Hebräerbrief beschreibt unser Vorrecht so:
Darum, weil wir ein unerschütterliches Reich empfangen, lasst uns dankbar sein und so Gott dienen mit Scheu und Furcht, wie es ihm gefällt; denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer. Hebräer 12,28-29
In meiner Deutung spricht Paulus in seinen Briefen in der Tat vom Gehorsam, aber vom „Gehorsam des Glaubens“ (z.B. Röm 1) den er „aufrichten“ will z.B.: „Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens.“ (Röm 3,27)
Der gehorsame Glaube an die himmlische Gnade Christi wird bei Paulus zum höchsten Gesetz, wenn man so will – z.B.: „Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung (= jüdisches Gesetz) noch Unbeschnittensein (heidnisches, römisches Gesetz) etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.“ (Gal 5).
Dies heißt nicht, dass das Gesetz keine Funktion im Heilsplan Gottes hatte, denn es war ein Schulmeister, um auf die höhere Wahrheit und Hoffnung der Gnade zu verweisen. Im Prinzip war/ist das Gesetz der irdische, fleischliche Schatten der Gnade, die sich in Jesus zeigte. Folglich heißt Jesus/Gott gehorsam sein, die Dinge umzudrehen: Zuerst von der Gnade auszugehen und das Gesetz als eine im Kern irdische Regelung zu erfassen, die vor allem denjenigen galt, die noch nichts vom Geist der Gnade, der sich erst mit Jesus zeigte, wussten.
Was du am Anfang sagst ist richtig. Durch die Gnade Gottes haben wir die Vergebung der Sünden empfangen und den Geist, der uns befähigt, Gottes Gebote zu lieben und zu tun. Paulus würde nicht von Gehorsam sprechen, wenn es keine Gebote mehr gäbe. Die Reformatoren sprechen vom dritten Gebrauch des Gesetzes. Was du hauptsächlich meinst, nennt man ersten Gebrauch: das Gesetz ist ein Zuchtmeister auf Christus hin, damit wir durch den Glauben gerecht werden (Galater 3,24). Den zweiten Gebrauch (usus politicus) finden wir in 1.Tim 1,8: Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist, wenn es jemand recht gebraucht, weil er weiß, dass dem Gerechten kein Gesetz gegeben ist, sondern den Ungerechten und Ungehorsamen, den Gottlosen und Sündern…
Am Ende driftest du wieder weg. Das Gesetz war nie der Schatten der Gnade. Es hat eine ganz andere Funktion, deshalb existiert es immer noch. Für uns Christen ist das Gesetz ein Wegweiser, während die Gnade Gottes der Antrieb ist.