Psalm 147, 11 verkündet:

Der HERR hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen.

Wie sehr wir Gott fürchten, zeigt sich im Gebet. Wie wir mit Gott reden beweist, wie hoch wir ihn schätzen.

Im dritten Buch seines Hauptwerks Unterricht in der christlichen Religion (Kapitel 20) spricht Johannes Calvin über das Gebet. Er erwähnt vier Regeln, die unser Gebet leiten sollten. Ich möchte diese Gedanken des Genfer Reformators einfach so wiedergeben, obwohl uns der damalige Stil ein wenig fremd erscheinen mag. Beachten wir, wie sehr sich diese Auffassung von vielen heutigen Meinungen unterscheidet, die oft das Gespräch mit Gott auf eine Art Kumpelgespräch reduzieren.

1. Die erste Regel, um unser Gebet recht und wohl zu gestalten, soll nun die sein: Wir sollen nach Gemüt und Herz so beschaffen sein, wie es Leuten geziemt, die sich aufmachen, um mit Gott ein Gespräch zu haben…
Wir haben es hier mit zwei Erfordernissen zu tun, die beide äußerst beachtenswert sind. Zunächst: Wer sich zum Beten anschickt, der soll auch all sein Sinnen und Trachten darauf richten und sich nicht – wie das gewöhnlich geschieht – von flatternden Gedanken hin- und herziehen lassen. Denn der Ehrfurcht vor Gott ist nichts so sehr zuwider wie solche Leichtfertigkeit, die ja nur einen Mutwillen bezeugt, der sich gar zu sehr gehen läßt und von aller Furcht gelöst ist…
Zum Zweiten haben wir dann auch festgestellt, daß wir nur soviel erbitten sollen, wie Gott uns erlaubt. Er gebietet uns allerdings, unser Herz vor ihm auszuschütten (Ps. 62,9)…
Um nun dieser unserer Schwachheit zu Hilfe zu kommen, gibt uns Gott bei unseren Bitten den Heiligen Geist zum Lehrmeister: er sagt uns vor, was recht ist, und er bringt unsere Regungen ins richtige Maß.

2.  Jetzt die zweite Regel: Wir sollen bei unserem Beten stets unseren Mangel wahrhaft empfinden, ernstlich bedenken, daß uns alles das fehlt, was wir erbitten, und dementsprechend auch eine ernstliche, ja brennende Sehnsucht, es zu erlangen, mit unserem Gebet verbinden. Viele Leute plappern geschäftsmäßig ihre Gebete nach festen Formeln daher, als ob sie Gott einen festgesetzten Dienst ableisteten. Sie bekennen zwar, dies sei für ihre Nöte ein notwendiges Heilmittel, weil es ja Verderben brächte, die Hilfe Gottes zu missen, um die sie beteten. Aber es wird doch offenkundig, daß sie hier bloß um der Gewohnheit willen eine solche Pflicht erfüllen; denn ihr Herz ist unterdessen kalt und erwägt gar nicht, was es bittet!

3. Dazu kommtdie dritte Regel: Wenn einer sich vor Gott hinstellt, um zu beten, so soll er sich jedes Gedankens an eigenen Ruhm entschlagen, soll jeden Wahn eigener Würdigkeit ablegen, kurz, alle Zuversicht auf sich selber fahren lassen und in solcher Verwerfung seiner selbst alle Ehre Gott allein geben. Wir würden ja sonst, wenn wir uns selbst etwas beimessen wollten, und sei es auch noch so gering, mit unserer eitlen Aufgeblasenheit vor seinem Angesicht zuschanden werden.

4. Nun zum Schluß die vierte Regel: Wir sollen gewiß in dieser Weise in wahrer Demut zu Boden geworfen und erniedrigt sein, uns aber nichtsdestoweniger von der sicheren Hoffnung auf Erhörung zum Beten ermuntern lassen. Es ist dem Anschein nach freilich ein Widerspruch, wenn man mit dem Empfinden der gerechten Strafvergeltung Gottes die gewisse Zuversicht auf seine Gnade verbindet. Aber dies beides kommt doch vollkommen überein, sofern Gottes Güte die aufrichtet, die unter ihren eigenen Sünden erdrückt werden. Ich habe oben bereits dargelegt, wie Buße und Glaube Bundesgenossen sind, die durch ein unzertrennliches Band miteinander verflochten sind; und das, obwohl uns die Buße erschreckt, der Glaube uns aber mit Freude erfüllt; dementsprechend müssen sie nun beim Beten beide einander begegnen!