Warum ist der reformierte Gottesdienst feierlich aber auch ernst, für viele vielleicht zu enst? Es ist in vielen Freikirchen heute üblich, den Gottesdienst relativ locker zu gestalten. Man lacht gerne und Gottesdienstleiter machen oft Witze. Es ist auch nicht unüblich, dass man ganz am Anfang mit einer coolen Formel begrüßt wird, wie: „Schön, dass Ihr es geschafft habt, heute in den Gottesdienst zu kommen!“
Diese Ansicht mag viel Zustimmung bei unseren Geschwistern finden, sie verkennt leider den wahren Sinn des Gottesdienstes. Es ist äußerst wichtig zu begreifen, dass während dem Gottesdienst der Herr in der Mitte seines Volkes ist. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns total anders verhalten würden, wenn wir diesen heiligen Gott „sehen“ könnten.
Gott ist selbstverständlich immer bei seinen Kindern, auch wenn sie alleine im „Kämmerlein“ beten. Christen sind auch nicht mehr an einem bestimmten Ort gebunden, wie im Alten Testament, wo die Menschen an dem Tempel von Jerusalem gebunden waren. Gott ist heute auch da, wo man singt, betet und sein Wort aufschlägt; ich denke an manchen unserer Gesprächsgruppen. Er ist aber beim „offiziellen“ Gottesdienst in ganz besonderer Weise dabei. Der Gottesdienst ist der Ort, wo Gott sein Volk einlädt, den Bund mit ihm zu erneuern. Denken wir zum Beispiel an die besondere Begegnung, die damals am Sinai stattfand, als das Volk Israel die zehn Gebote empfing. Das Volk wurde im Vorfeld eingeladen, sich besonders dafür vorzubereiten. Nichtdestotrotz war Gott auch an anderen Tagen auch „mitten“ seinem Volk.
Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles Wort für Wort übertragen, was dem Alten Bund gehörte, aber es gab auch damals einen Unterschied zwischen dem „Gottesdienst“ von David auf der Straße (2Samuel 6,14) und dem „sehr heiligen“ Gottesdienst im Tempel, der nur von Priestern und Leviten vollzogen wurde. Der König Usija wurde mit einer schlimmen Krankheit geschlagen, als er eine Aufgabe erledigen wollte, die ihm nicht zustand (2Chronika 26,18). Sicherlich wird jemand sagen: aber gerade das wurde abgeschafft; wir haben durch Jesus Christus einen freien Zutritt ins Heiligtum. Klar haben wir ihn, aber es geschieht nicht ohne Anstand, wie der Hebräerbrief sagt:
Darum, weil wir ein unerschütterliches Reich empfangen, lasst uns dankbar sein und so Gott dienen mit Scheu und Furcht, wie es ihm gefällt; denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.
Hebräer 12, 28-29
Am Anfang des reformierten Gottesdienstes finden wir deshalb das sogenannte Votum. Der Diener liest zum Beispiel einen Text wie den Psalm 124, 8 (Unsre Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat.) oder Offenbarung 1,4ff (Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt…).
Diese liturgische Formel will uns sagen: „Jetzt fängt es an; konzentriere dich bitte auf den besonderen Dialog, welcher jetzt mit Gott stattfindet“.
Wer diese Wirklichkeit versteht, begreift auch, dass gewisse Dinge wie die sogenannten „kurzen Ansagen“ im Gottesdienst nichts zu suchen haben. Gott sei Dank, die Heilige Schrift hilft uns dies zu erkennen, denn sie schreibt uns vor, was gestattet ist (siehe dazu diesen Artikel).
Neben der „vertikalen“ Komponente des „Gottesdienstes“ (damit ist hier und im Folgenden die Versammlung der Gemeinde am Sonntag gemeint), zeigt uns die Bibel auch eine „horizontale“ Komponente auf: die, der Gemeinschaft.
Kolosser 3,16: „Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.“
Es ist nicht zu vergessen, dass wir in Ehrfurcht vor Gott kommen sollen – aber genausowenig sollten wir vergessen, dass wir als seine Kinder kommen dürfen; und das wir kommen dürfen, um authentisch zu anbeten. Damit will ich nicht sagen, dass die Authentizität verloren geht, wenn wir ernste Gottesdienste haben, sondern, dass unsere Gottesdienste eben nicht nur ernst sind, sondern auch von emotionen geprägt werden.
Eine gute Liturgie ist nichts schlechtes – im Gegenteil: Da jeder eine gewisse Liturgie des Gottedienstes hat sollte diese gut gestaltet und durchdacht werden -, aber eine Liturgie hat das Ziel, das Evangelium zu „re-präsentieren“(Bryan Capell in Christ-Centered Worship) und damit m.E. auch das Ausleben der Freude am Evangelium und mit den sich Freuenden, der Trauer mit den Trauernden, etc. (-> Emotionen).
Damit liefere ich kein Plädoyer für „kurze Ansagen“, sondern ein Plädoyer für authentische Gottesdienste (, um nicht „locker“ zu sagen), die m.E. (auch aus biblischer Sicht) keineswegs nur die Gottesfurcht beinhalten, sondern viel mehr.
____
Mit dem Thema Liturgie befasse ich mich derzeit intensiv und werde hoffentlich dadurch in meiner Erkenntnis wachsen. Wenn zeitlich möglich werde ich mit dem Abschließen meiner Studien zu Liturgie auch ein paar Blogposts dazu veröffentlichen.
Vielen Dank für den Beitrag! Klar, es besteht immer das Risiko, dass auch ein durch die Hlg. Schrift „regulierter“ Gottesdienst zu steif wird.
Dazu 2 Bemerkungen:
– ich schrieb eher für Geschwister, die Gottesdienst und Party verwechseln.
– Emotionen dürfen sicherlich kein Tabu sein, aber Freude, Dankbarkeit und Authentizität in der Gemeinde werden m.E. nicht in erster Linie durch eine „lockere“ Atmosphäre erreicht, sondern durch das Wirken des Heiligen Geistes. Dazu muss das Wort Christi erkannt werden und auf dieses Wort muss mehr gehorcht werden als auf menschliche Konzepte.
Danke für die Antwort. Zum einen gibt es leider immer mehr Geschwister und selbst Gemeinden, die „Gottesdienst und Party“ verwechseln, zum anderen fällt mir leider bei den reformierten Gemmeinden in Deutschland immer wieder auf, dass viele sich schwer tun, „locker zu bleiben“ – teilw. auch vernachlässigen, das der Heilige Geist wirkt.
Natürlich ist „lockere Athmosphäre“ nicht der Weg und erst recht nicht das Ziel, sondern das Wirken den Heiligen Geistes macht den Gottedienst authentisch: Wortgeprägt und „richtig“ emotional. (Darüber könnte man wieder 20 Artikel schreiben – Was richtige Emotionen heißt…) – Ich stimme also voll zu :)
Schöner Artikel. Danke dafür. Spricht etwas an, worüber ich seit Kurzem nachdenke. Eine gewisse Liturgie ist vielleicht gar nicht schlecht – sage ich als Freikirchler.