Der französische Theologe Pierre Abélard (Petrus Abaelard) lebte im Mittelalter. Abaelard ist nicht nur für seine verbotene Liebe zu Heloisa bekannt, sondern auch für seine besondere Christologie.
Abaelard wehrte sich vehement gegen die klassische Theologie (siehe dazu folgenden Artikel), wonach Jesus am Kreuz gestorben ist, um die Sünder durch sein Blut zu erkaufen. Er meinte, dass Jesus aufgrund seiner Hingabe für uns ein Vorbild ist. Es gibt keine größere Liebe als sein Leben für seine Freunde zu geben, hat Jesus einmal gesagt. In anderen Worten: Wir sollten den Heiland nachahmen.
Heute hat sich eine ähnliche theologische Richtung gebildet, die sich nicht auf das konzentriert, was Christus für uns getan hat, sondern auf das, was wir für ihn tun könnten. Diese Ansicht hat sich vor allem in den USA entwickelt, aber sie ist auch in Europa durch die Armbänder WWJD bekannt geworden: What would Jesus do?
Was würde Jesus angesichts der wachsenden Armut in der Welt kaufen? Wie würde Jesus mit den Randgruppen unserer Gesellschaft umgehen? Wie wichtig wären ihm die ökologischen Probleme unserer Zeit? Was würde Er zu der Diskriminierung von Menschen sagen? Der Spruch „What would Jesus do?“ findet man ursprünglich in einem Buch von Charles Sheldon von 1896: In His Steps. Sheldon war ein Befürworter des sogenannten Sozialen Evangelium.
Eigentlich scheint diese Absicht gut. Meint die Bibel nicht auch, dass wir Jesus nachahmen sollen, wenn wir an ihn glauben?
Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat.
1 Johannes 2, 6
Aber warum sollte ich Jesus nachahmen? Viele würden sofort antworten: Weil Jesus der Weg ist. Er zeigt uns den Weg, den auch wir gehen sollen. Was heißt es genau, dass Jesus der Weg ist? Ist es, was Abaelard meint oder hat uns Jesus durch sein Erlösungswerk die Vergebung der Sünden erworben und ist dadurch der einzige Weg zu Gott geworden?
Der Sohn Gottes ist nicht einfach Mensch geworden, weil Er unseren Zustand näher kennen lernen wollte. Er war vom Anfang an bereit, einen schweren Weg zu gehen, der ihn bis zum Tod am Kreuz führen sollte. Nur Er konnte uns als sündloser Mensch vor Gott vertreten. Wie sinnlos ist deswegen das Verhalten dieser Männer, die sich auf den Philippinen am Karfreitag kreuzigen lassen. Allein die Kreuzigung Jesu macht Sinn.
Nehmen wir an, Abaelard hätte Recht. Irgendwie würde es auch bedeuten, dass ich von Gott erwarte, dass Er meinen Lebensstil billigt. Und da befindet sich gerade das Problem: Bevor ich etwas tun kann, was Gott gefällt, muss das Problem meiner Sünde gelöst werden. Der Haken dabei ist, dass der WWJD-Gedanke die Sündhaftigkeit des Menschen sehr unterschätzt. Im Grunde kann ich vor Gott keine gute Figur machen, solange ich immer wieder sündige, weil Gott heilig ist und die Augen nicht zudrücken kann. Ich brauche Jesus Christus als Helfer und den Heiligen Geist als treibende Kraft.
Letztendlich sollte der Spruch nicht WWJD heißen, sondern: Was hat Jesus für mich getan?
Da fragten sie ihn: Was sollen wir tun, dass wir Gottes Werke wirken? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Das ist Gottes Werk, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.
Johannes 6, 28-29
Hallo,
ich lese schon seit einiger Zeit die Artikel Ihres Blogs. Auch diesen Beitrag finde ich sehr interessant und bedenkenswert.
Vielen Gedanken, die Sie äußern, kann ich einfach nur zustimmen.
Eine Frage bleibt mir aber trotz alledem: Schließen Sie aus, dass Jesus für wiedergeborene Menschen ein Vorbild sein kann, weil wir aus uns heraus nicht in der Lage sind, seinem vollkommenem Vorbild zu entsprechen?
Ich freue mich bereits auf Ihre Antwort!!
Danke für deine Bemerkung Rainer.
Jesus soll ja auch ein Vorbild für Christen sein. Christus hat uns die Gebote Gottes vorgelebt. Allerdings sollen wir zuerst begreifen, wie schrecklich die Sünde ist und wie sehr wir auf seine Vergebung angewiesen sind. Dann können wir mit Demut und Dankbarkeit in seine Spuren treten.