Geschehen heute noch Zeichen und Wunder?
Im Prinzip gehören Reformierte nicht zu den Kirchenrichtungen, die außergewöhnliche Geistesgaben wie Prophetie, Zungenrede und Heilungen fördern. Viele von ihnen glauben nämlich, dass Wunder und Zeichen heute aufgehört haben.
Benjamin Warfield, zum Beispiel, war der Meinung, dass diese außergewöhnliche Zeichen den Aposteln anvertraut wurden, um damals die Neuigkeit und die göttliche Autorität des Evangeliums zu unterstreichen und um das Fundament der Gemeinde zu legen.
Wenn man von Gaben spricht, ist es wichtig, zwischen natürlichen Gaben und Geistesgaben zu unterscheiden:
- eine natürliche Gabe ist zum Beispiel wenn jemand gut musizieren kann. Berühmte Musiker haben diese Gabe von Gott empfangen. Sie müssen dennoch nicht gläubig sein.
- Eine Geistesgabe wird von Gott für die Erbauung der Gemeinde geschenkt. Bei den Geistesgaben gibt es „normale“ Gaben wie die des Lehrens oder des Mutmachens, aber auch „außergewöhnliche“ Gaben. Diese sind, wie z. B. Heilungen, Prophetie, Zugenrede. Wir nennen sie „außergewöhnlich“, weil sie nicht mit unserer Vernunft begriffen werden können.
Bezüglich dieser außergewöhnlichen Gaben, gibt es heute 2 Meinungen in der Kirche:
- die „Cessationisten“ lehnen ab, dass Gaben wie die Prophetie oder das Zungenreden heute noch existieren.
- die Charismatiker betrachten die außergewöhnlichen Gaben als fortdauernd und fördern diese Gaben heute noch.
Haben die außergewöhnlichen Gaben aufgehört?
Die Cessationisten begründen ihre Position anhand der Verse aus Hebräer 2, 3-4:
(3) wie wollen wir entrinnen, wenn wir ein so großes Heil nicht achten, das seinen Anfang nahm mit der Predigt des Herrn und bei uns bekräftigt wurde durch die, die es gehört haben? (4) Und Gott hat dazu Zeugnis gegeben durch Zeichen, Wunder und mancherlei mächtige Taten und durch die Austeilung des Heiligen Geistes nach seinem Willen.
Nach dieser Auffassung wurden die Zeichen und Wunder den Aposteln und ihren Mitarbeitern gegeben, um ihre Verkündigung zu bekräftigen.
Eine andere wichtige Stelle ist Epheser 2, 20:
(Ihr seid) erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist…
Die meisten Charismatiker sind der Meinung, dass es heute keine Apostel mehr gibt. Propheten gibt es für sie immer noch, aber sie sind fehlbar und die Qualität ihrer Prophetie muss evaluiert werden. Die Cessationisten betonen hingegen, dass die Propheten (wie die Apostel) eine grundlegende Funktion gehabt haben, die es heute nicht mehr gibt. Echte Propheten hatten ein anerkanntes Amt und waren unfehlbar.
Oft wird auch die Stelle aus 1 Korinther 13 herangezogen, wo steht:
(8) Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. (9) Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. (10) Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.
Dabei wird das Vollkommene als Kanon der Heiligen Schrift verstanden. In anderen Worten: Wenn die Bibel vollständig ist, dann wird man keine Prophetie mehr brauchen. Es wäre zu lang, diese Verse auszulegen, aber hier ist wahrscheinlich etwas anderes gemeint, und zwar die Neue Welt Gottes bei der Wiederkunft Jesu. Richard Gaffin vertritt die Meinung, dass die Stelle nicht entscheidend ist.
Gehören heute die außergewöhnlichen Gaben zum normalen Gemeindeleben?
In den charismatischen und Pfingstgemeinden gehören Wunder und Zeichen angeblich zum normalen Gemeindeleben dazu. Heilungen, Prophetie und Zungenreden haben ihren Platz im Gottesdienst. Nur, wenn man betrachtet, wie Prophetie und Zungenrede dort verstanden werden, stellt man schnell fest, dass sie oft erheblich vom biblischen Vorbild abweichen. Deswegen stellt sich die berechtigte Frage: Sind sie nach dem biblischen Vorbild?
Zungenreden war in der Urgemeinde die Fähigkeit in einer unverständlichen Sprache (in einer ausländischen Sprache) zu reden, die man selber nicht kannte. Diese Sprache musste übersetzt werden, damit die Gemeinde auferbaut werden konnte. Der Inhalt der übersetzten Rede hatte den Wert einer Prophetie. Nur wenige durften sprechen, und falls kein Übersetzer da war, sollten sie lieber schweigen (1 Korinther 14, 27-28). In den heutigen charismatischen Kreisen sprechen viele gleichzeitig, laut und jeder für sich, und die Zungenrede wird selten ausgelegt. Dies widerspricht eindeutig den Befehl des Apostel Paulus.
Der Vers aus 1 Korinther14, 2 lässt vermuten, dass es eine zweite Art des Zugenredens gibt. Gemeint wäre eine Art Engelsprache, die zur Anbetung Gottes und zur Selbsterbauung dienen würde:
…wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er im Geist von Geheimnissen.
Leider passt diese Interpretation nicht in das Konzept. Es ist besser zu verstehen: solange diese Rede nicht übersetzt wird, kann sie nur Gott verstehen.
Eine Prophetie war eine göttliche Offenbarung, deren Wert bei anerkannten Propheten nicht in Frage gestellt werden sollte. Die Prophezeiungen wurden zwar geprüft ( 1 Korinther 14, 29), aber das Ziel war unter anderen die wahren von den falschen Propheten zu unterscheiden. Heute sind Prophezeiungen oft Aussagen, die sich als fehlbar erweisen können. Die Fehlbarkeit einer Aussage war in der Urgemeinde der Beweis, dass deren Autor ein falscher Prophet war.
Welche dieser Gaben sind heute noch gültig?
Es ist offensichtlich, dass viele der heutigen sog. Zeichen und Wunder keinen göttlichen Ursprung haben. Sie haben nicht unbedingt einen dämonischen Ursprung, denn viele lassen sich ganz normal erklären, wie z. B. das vorgetäuschte Zungenreden. Ein großer Teil davon sind ganz einfach Täuschungen. Sie schaden mehr als sie der Kirche nutzen, insbesondere wenn man sie bei Neubekehrten als Zeichen eines erfüllten geistlichen Lebens verlangt.
Ich will hiermit keineswegs ausschließen, dass Gott tatsächlich auch heute noch Wunder tut. Missionare berichten, dass in fremden Länder Menschen zu Christus gefunden haben, weil sie Visionen von ihm hatten, obwohl sie ihn nicht kannten. Gott ist und bleibt der Gott der Wunder. Es wäre höchst gefährlich, den Glauben auf eine rationale Dimension zu reduzieren. Gewisse Heilungen lassen sich auch nicht rationell erklären und es ist unbestreitbar dass sie durch ein ehrliches Glaubensgebet geschenkt wurden. Ich glaube persönlich an die Macht des Gebets nach Jakobus 5, 15.
Was eine konsequente Exegese zeigt, ist, dass wir heute keine prophetischen Gaben mehr haben, die der Schrift etwas hinzufügen, weil die Offenbarung abgeschlossen ist. Gott redet zu uns durch sein Wort, die Bibel.
[…] die nach übernatürlichen Begabungen streben, die nur Gott in seiner Gnade und zu seiner Zeit (siehe diesen Artikel) […]
Wenn Gott sich jemandem offenbart ist das immer ein Wunder und überirdisch. Irgendwie ein Wunder gibt es nicht; es ist ein Wunder oder es ist keines. Jesus sagt seine Schafe hören seine Stimme, und das sollte genauso verstanden werden wie er es sagt. Kein Irgendwie. Nirgends.
Das „Irgendwie“ ist weg.