Man hört oft von Christen, dass sie dem Calvinismus nur in 4 Punkten zustimmen (es sind 5 vorhanden!). Was sie nicht akzeptieren können, ist der dritte Punkt, der besagt: Jesus ist nur für die Erwählten gestorben. Man nennt diesen Punkt im theologischen Jargon: begrenzte Versöhnung.
Eigentlich gefällt mir das Adjektiv begrenzt auch nicht. Man könnte nämlich denken: das Wirken Gottes hat Grenzen. Aber wie einer gesagt hat, menschliche Sprachen sind begrenzt, wenn es darum geht, die großen Werke Gottes zu beschreiben. Mit begrenzt wird in Wirklichkeit gemeint, dass nur eine begrenzte Anzahl von Menschen die Früchte vom Tod Jesu am Kreuz wirklich erntet.
Die Schrift bestätigt in vielen Stellen, dass Jesus sein Leben für die Seinen gibt oder sein Blut für die Gemeinde vergießt:
Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich mein Vater kennt und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.
Johannes 10, 14-15So habt nun Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat.
Apostelgeschichte 20, 28
Gibt es aber nicht zahlreiche Stellen, die etwas anderes behaupten:
Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
Johannes 3, 16
Und er ist darum für alle gestorben, damit, die da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist.
2 Korinther 5, 15
Also wie lässt sich der Widerspruch lösen?
Die Lehre der begrenzten Sühne bedeutet nicht, dass der Tod Jesus nicht ausreichen würde, alle zu erretten. Sie sagt, dass nur die Erwählten etwas davon haben. Dieses Opfer ist nur bei ihnen wirksam. Jesus hat nicht sein kostbares Blut für Menschen vergossen, die nie errettet werden. Da zeigt sich wieder der Unterschied zwischen Arminianern, die denken, dass alle Menschen sich frei für Jesus entscheiden können, und Calvinisten, die der Auffassung sind, dass die Menschen geistlich tot sind und Gott sie wieder lebendig machen muss.
Einige Gegner der begrenzten Sühne unterscheiden aber zwischen erlösen und erkaufen, so William Kelly, der aus der Brüderbewegung kam. Jesus hätte alle Menschen erkauft aber er hätte sie nicht alle tatsächlich erlöst. Ich schätze Brüder sehr, weil sie zumindest in der Bibel mit viel Fleiß forschen, aber diese Spitzfindigkeit überzeugt mich nicht wirklich. Nehmen wir zum Beispiel die Stelle aus 2 Petrus 2, worauf sich ein solches Argument stützt:
Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volk, wie auch unter euch sein werden falsche Lehrer, die verderbliche Irrlehren einführen und verleugnen den Herrn, der sie erkauft hat; die werden über sich selbst herbeiführen ein schnelles Verderben.
2 Petrus 2, 1
Der Vers erweckt tatsächlich den Eindruck, dass diese falsche Lehrer erkauft worden sind. Dies ist aber nur ein Eindruck, denn Petrus spricht hier eindeutig mit einer gewissen Ironie. Diese Lehrer wissen wohl, was Jesus getan hat. Sie berufen sich auch auf seine Erlösung. Aber ein schlechter Baum kann nur schlechte Früchte tragen (Matthäus 7, 18); diese falsche Lehrer zeigen durch ihre Taten, dass sie nie wirklich gerettet worden sind. Jesus ist also nicht für sie gestorben.
„aber diese Spitzfindigkeit überzeugt mich nicht wirklich“ – Vielleicht sollte man nicht exzellente Theologen wie William Kelly der Spitzfindigkeit bezichtigen, wenn es einem an exegetischem Handwerkszeug, Durchblick und Überblick mangelt und man deshalb nicht ihren Ausführungen folgen kann. Natürlich meint „erkauft “ erkauft und hat mit Erlösung „durch sein Blut“ / „von Sünden“ nichts zu tun. Dass die Petrusstelle das Sprachmittel der Ironie verwendet ist eine steile These, die vom Kontext nicht getragen wird. Kelly hat so klar wie wenige dargestellt, dass die Frage „Ist die Versöhnung (atonement) begrenzt oder unbegrenzt?“ eine unklare Frage ist, vielleicht sogar eine falsche (either-or-fallacy). In einem gewissen Sinn, so führt Kelly aus, sind die Ergebnisse (!) des Heilswerks Jesu am Kreuz begrenzt, nämlich was die Versöhnung (oder auch die Erlösung) angeht (wie Sie schreiben: nur dem, der glaubt, und allen die glauben), und so war das vor jeglicher Schöpfung auch schon beschlossen. In einem anderen Sinn ist das Heilswerk Jesu unbegrenzt, was die Sühnung angeht, denn diese erfolgte mit Blick auf die ganze Welt (sogar Dinge; Kolosserbrief). Man muss, um das zu verstehen, natürlich die biblischen Konzepte von Sühnung, Versöhnung und Erlösung verstehen, sonst sieht man hier keinen Unterschied.