In Galater 6,2 befiehlt Paulus:
Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
In 1. Korinther 9,21 sagt er:
Denen ohne Gesetz bin ich wie einer ohne Gesetz geworden – obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin im Gesetz vor Christus –, damit ich die ohne Gesetz gewinne.
Zuerst müssen wir betonen, dass ein Christ nicht mehr unter dem Gesetz steht. Wenn Paulus in Römer 6,14 erklärt, dass wir nicht mehr unter dem Gesetz sind, sondern unter der Gnade, meint er damit, dass das Gesetz (in den 10 Geboten zusammengefasst) uns nicht mehr verurteilt, wenn wir an Christus glauben, weil Christus dieses Gesetz an unserer Stelle erfüllt hat. Es heißt aber auch, dass die Einhaltung dieses Gesetzes uns nicht mehr rechtfertigen kann. Voraussetzung, wir wären in der Lage, dem Gesetz zu folgen – was wir niemals können – wäre dies trotzdem kein Vorteil, weil das Werk Jesu für uns der viel bessere Weg ist.
Wenn Paulus der Überzeugung ist, dass uns das Gesetz keinen Vorteil bringt, warum sagt er dann, dass er nicht ohne Gesetz vor Gott ist und unter dem Gesetz Christi steht? Was ist mit diesem Gesetz Christi gemeint?
Eine einfache Antwort wäre, sich auf das zu beschränken, was Paulus den Galatern empfiehlt: Tragt des andern Last und ihr werdet das Gesetz Christi erfüllen!
Das Gesetz Christi wäre dann, den Bruder mit sanftmütigem Geist zu Christus zurückzuführen, wenn er gefallen ist. Das Gesetz Christi würde ich erfüllen, wenn ich meinen Nächsten liebe. Das entspricht auch der Neuerung, wovon Jesus in Johannes 13,34 spricht:
Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt.
In Matthäus 22 antwortet Jesus, als ein Schriftgelehrter ihn fragt, welches Gebot das höchste sei:
»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt«. Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.
Jesus fasst das ganze Gesetz in diese beiden Gebote zusammen.
Uns ist sicherlich aufgefallen, dass Jesus das Gesetz verschärft, wenn er zum Beispiel in Matthäus 5 erklärt, Ihr habt gehört… Ich sage aber euch… Jesus zeigt, dass die Einhaltung des Gesetzes nicht nur eine äußerliche Pflicht ist, sondern dass sie auch eine Herzenssache sein muss. Damit zeigt er auch indirekt, dass das Gesetz uns verurteilt, statt uns zu helfen, weil es schwer zu erfüllen ist.
Jesus macht auch klar in Matthäus 5,18, dass das Gesetz nicht abgeschafft wird, solange Himmel und Erde bestehen. Viele verstehen die Worte „bis es alles geschieht“ so, dass es nur gelten soll, bis Jesus es erfüllt hat, aber das ist nicht, was Christus meint. In Wirklichkeit will er sagen, dass es so bestehen soll, bis Himmel und Erde vergehen.
Das heißt für uns, dass, obwohl wir nicht mehr unter dem Gesetz sind, dieses Gesetz seine Bedeutung nicht verliert, solange die letzte Auferstehung nicht stattgefunden hat und wir von der Sünde befreit sind.
Das Gesetz hat im Grunde drei Funktionen:
- die eine ist, uns zu Christus zu führen, wenn wir begreifen, dass wir die Gebote Gottes nicht vollkommen halten können;
- die zweite ist, uns die Sünde groß zu machen und das Gericht unabwendbar, wenn wir vorsätzlich sündigen wollten;
- die dritte ist, uns eine Richtschnur zu geben, um nach dem Willen Gottes zu leben. Das schöne ist, dass der Geist Gottes, der uns wohnt, uns dazu befähigt, willig und dankbar nach dem Willen Gottes zu leben (Römer 7,22).
Wenn Paulus in 1. Korinther 9,21 sagt, dass er nicht ohne Gesetz vor Gott ist, sondern unter Christi Gesetz steht, will er damit sagen, dass obwohl er nicht mehr unter dem mosaischen Gesetz steht, ist es nicht so, dass er ohne die Gebote Gottes lebt.
Ist das Gesetz Christi etwas grundsätzlich anderes, als das, was Gott in den 10 Geboten befohlen hatte? – Nein, ich denke nicht! Wir können darüber streiten, ob das Gesetz Christi ganz dem Moralgesetz entspricht, ob es eine Verschärfung dieses Gesetzes ist, oder ob es eine Zusammenfassung dessen in dem Gebot der Liebe ist, dieses Gesetz ist auf jeden Fall nicht etwas, was die ersten Gebote ersetzt.
Wir fassen zusammen: obwohl wir Christen nicht mehr unter dem Gesetz sind, tun wir weiterhin aus Liebe zu Gott und zu dem Nächsten, was die Gebote befehlen. Das tun wir nicht, um gerechtfertigt zu werden. Verfehlen wir unser Ziel, verurteilt uns das Gesetz nicht mehr. Das ist, was mit dem Gesetz Christi gemeint ist.