Beim Thema Heilsordnung (Ordo Salutis) geht es um folgende Frage: Welche Ereignisse spielen eine Rolle beim Heilserwerb und danach und in welcher Reihenfolge? Wenn wir diese Frage anders formulieren: In welcher Reihenfolge finden bestimmte Ereignisse statt, wie: Bekehrung, Glaube, Rechtfertigung, Heiligung ?
Für die meisten evangelikalen Christen scheint die Frage eher sinnlos. Für sie ist klar, dass man sich für Jesus entscheiden soll, bevor man gerettet werden kann. Und dennoch lehrt die Bibel etwas anderes! Sie lehrt, dass der Glaube auch ein Geschenk Gottes ist (Epheser 2, 5.8) und dass keiner sich entscheiden kann, es sei denn er ist bereits wiedergeboren.
Die Reihenfolge ist nicht: Ruf –> Glaube –> Erwählung –> Wiedergeburt –> Rechtfertigung –> Heiligung –> Verherrlichung
sondern:
Erwählung –> Ruf –> Wiedergeburt –> Glaube –> Rechtfertigung –> Heiligung –> Verherrlichung
Betrachtung einiger Bibelstellen
1) Johannes 1, 12-13
Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.
Dieser Vers wird oft verwendet, um zu beweisen, dass der Glaube notwendig ist, bevor Gott uns die Wiedergeburt schenken kann. Wem gab Gott Macht, Gottes Kinder zu werden, nach diesem Vers? Denen, die ihn aufnahmen, selbstverständlich!
Das Problem bei dieser Interpretation ist, dass der Ausdruck „Macht, Kinder zu werden“ (Lutherbibel) eine juristische Bedeutung hat. Er bedeutet Recht oder Vollmacht und bezieht sich auf die Rechtfertigung und nicht auf die Wiedergeburt.
Im Vers 13 wird nochmal betont, dass wenn ein Mensch glaubt, es ist nicht „aus dem Willen des Fleisches oder aus dem Willen eines Mannes“, sondern weil er von Gott geboren wurde.
Im Grunde lehrt Johannes 1,12-13 tatsächlich folgende Ordnung:
Wiedergeburt –> Glaube/Entscheidung –> Rechtfertigung
2) 1 Johannes 5,1
Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren…
Dieser Vers, wenn man ihn in dem Originaltext betrachtet, ist sehr klar. Er bedeutet: Um glauben zu können (Präsens), muss man aus Gott geboren sein (Perfekt). In anderen Worten ist die Wiedergeburt eine Voraussetzung, bevor der Glaube sich entfalten kann.
Zu Deiner Reihenefolge der Heilsordnung (Ordo Salutis) würde ich noch die Antwort zwischen Ruf und Wiedergeburt setzen, denn es ist Gott der durch mich redet und dieses Reden ist m.E. heilsnotwendig, vergleiche hierzu 2. Samuel 23,2-4, Joel 3,5, Sacharja 13,9, Apostelgeschichte 2,21; 22,16 und Römer 10,13
Erwählung –> Ruf –> Antwort von Gott durch mich –> Wiedergeburt –> Glaube –> Rechtfertigung –> Heiligung –> Verherrlichung
Gnade und Frieden
in Jesus
Oliver
Oliver,
Das, was du „Antwort Gottes durch mich“ nennst, gehört zum Glauben (Römer 10,9). Der Glaube (dazu gehört ein Bekenntnis) ist eine freiwillige Entscheidung (ich weiß, dass du damit nicht einverstanden bist!), weil der Geist Gottes mich zum Leben „erwecken“ muss, bevor ich die geistliche Dinge überhaupt vernehmen kann (siehe 1 Kor. 2,12-15).
Wo man aber einen feinen Unterschied machen könnte, ist bei dem Ruf Gottes: man kann nämlich zwischen dem äußeren Ruf (Verkündigung des Evangeliums) und dem inneren Ruf (siehe 1 Petr. 1,23) unterscheiden.
In Jesus verbunden,
J.-L.
Lieber Jean-Louis,
wir sind ja gar nicht so weit auseinander, wie man meinen mag. Auch ich sehe ein Bekenntnis als eine freiwillige Entscheidung an. Allerdings ist jenes Bekenntnis nicht zwingend notwendig für das Heil, denn wie Du richtig schreibst, muss mich der Geist Gottes zum Leben „erwecken“, bevor ich die geistliche Dinge überhaupt vernehmen kann (siehe 1 Kor. 2,12-15).
Mit meinem Einwand betreffs der „Antwort Gottes durch mich“ meine ich die sofortige Re-Aktion Gottes in mir bzw. durch mich, nachdem das Licht Gottes in mich hinein gekommen ist. Ich meine diesbezüglich den Augenblick, welchen der Gläubige nach bzw. zu Apg 26,18 erlebt. Meines Erachtens gibt es so etwas wie einen Augenblick nach dem „Bekehren von der Finsternis zum Licht“, bei welchem etwas zeitgleich bzw. etwas in einem kürzeren Abstand danach passiert und zwar das Antworten des Menschen, welches durch Gott bewirkt wird, indem er den Namen des Herrn anruft. Es hat dies auch mit der Sendung ((eines Engels)) zu tun (vgl. 2.Mose 23,21; Psalm 91,11; Lukas 1,11; Lukas 16,22; Apostelgeschichte 10,3; Hebräer 1,14;) und bezeichnet den Besuch Gottes bzw. die Heimsuchung, zu welcher das Reden gehört, denn im Augenblick der Heimsuchung sollte man erkennen, was zum Frieden gehört (Lukas 19,42). Im Bereich der Heilsordnung (Ordo Salutis) gehört m.E. die Heimsuchung durchaus zum zeitgleichen Reden zusammen und ist demnach ein Bestandteil der Heilsordnung. In Sacharja 13,9 sehe ich diesbezüglich vier Abläufe: 1.) Prüfung bzw. Läuterung durch Gott 2.) Namensanrufung 3.) Antwort Gottes: Er ist mein Volk. 4.) Antwort des Menschen: Der HERR ist mein Gott.
Da Du bereits Römer 10,9 angesprochen hast, so möchte ich diesem Bibelvers den Bibelvers in Sacharja 13,9 gegenübersetzen und zwar als eine andere Umschreibung der Heimsuchung. Meiner Meinung nach geht die Heimsuchung dem viel späteren Bekenntnis voraus, so dass – weil Du ja die Heilsordnung angesprochen hast – das Reden als Mitbestandteil der Heimsuchung gelten müsste. (Sorry, für den Konjunktiv, aber es ist schwierig, dies sprachlich darzustellen.)
Meine obigen Ausführungen mittels der Nummern 1 + 2 zu Sacharja 13,9 verbinde ich dann mit: Ruf –> Antwort von Gott durch mich.
Meine obigen Ausführungen mittels der Nummern 3 + 4 zu Sacharja 13,9 verbinde ich dann mit: Wiedergeburt –> Glaube –> Rechtfertigung.
Das spätere Glaubensbekenntnis hat meines Erachtens nur einen Wiederholungscharakter, so dass ich jenes erst einmal aus der Kette der Heilsordnung herausnehmen würde. Sicherlich hat es mit den Punkten „Heiligung –> Verherrlichung“ einen gewissen Verwandschaftsgrad, aber ich mache da noch einen Unterschied, ob es der Mensch ist oder Gott, der die Heiligung und Verherrlichung betreibt.
Dein feiner Unterschied zum äußeren Ruf (Verkündigung des Evangeliums) und dem inneren Ruf (siehe 1 Petr. 1,23) ist meines Erachtens eine Dogmatikfrage, die wir hier vielleicht nicht klären sollten. Bis dahin erst einmal.
In Jesus verbunden
Oliver
Damit mein vorheriger Beitrag auch freigeschaltet wird, möchte ich meine Vorstellungen vom „Ruf“ erläutern, wozu eigentlich der gläubige Christ eine Berufung hat im Sinne der so genannten Heilsordnung:
–> Berufung zu dem Licht Gottes in Jesus
(vgl. meine Anmerkungen zu Apg 26,18).
„Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat;“ (1. Petrus 2,9)
–> Berufung zum Reden (zum Frieden)
(beachte die griechische Übersetzung in Wörterbücher zum Wort “ eirene “ hinsichtlich der Stammwurzel „eiro “ = man spricht wieder; folglich Frieden gleich Reden).
„Wenn aber der Ungläubige sich scheidet, so scheide er sich. Der Bruder oder die Schwester ist in solchen Fällen nicht gebunden; zum Frieden hat uns Gott doch berufen.“ (1. Korinther 7,15).
Und in diesem Sinne passt dann auch die Rubriken der von Dir – lieber Jean-Louis – vorgestellten Heilsordnung mit “ Heiligung –> Verherrlichung “ der Bibelvers in Jakobus 3,18 in Verbindung mit Galater 6,8:
„Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden denen gesät, die Frieden stiften.“ „Denn wer auf sein Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten.“
Gnade un Frieden
in Jesus
Oliver
Interessanter Beitrag! Ein Thema allerdings, über das die Christen sich wohl schon seit dem 2. Jahrhundert streiten – habe ich mir mal sagen lassen.
Die Bibel macht meines Erachtens recht klar, dass zuerst die Erwählung kommt. Trotzdem wird diese in der Verkündigung des Evangeliums gegenüber Ungläubigen (eher) nicht erwähnt (Evangelien und Apostelgeschichte). Paulus und die anderen Aposteln sprechen erst in den Briefen an bereits gläubige Christen davon, dass die Erwählung und der Glaube von Gott kommen.
So kann sich niemand seiner Wiedergeburt rühmen – und doch ist jeder selbst verantwortlich, wenn er das Evangelium hört.
René,
was du sagst ist schon richtig.
Allerdings ist diese Diskussion nicht bedeutungslos, weil zahlreiche Christen behaupten, dass eine „freie“ Entscheidung ausreicht, um die Wiedergeburt zu erlangen. Die Frage ist: Wie ernst mag diese Entscheidung sein? Wenn Gott Erkenntnis schenkt, dann ist sie ernst. Wenn Gott nicht dahinter steht, dann kann der Mensch weder seinen wahren Zustand erkennen noch die Bedeutung vom Jesu Tod begreifen. Welche sinnvolle Enstcheidung könnte er dann treffen?
Bedeutungslos ist sie nicht. Aber ich habe auch gemerkt, dass unter „wahren“ Christen die Meinungsverschiedenheiten in dieser Frage gar nicht mal so gross sind, wie sie gemacht werden. Ich komme aus Kreisen, wo die Erwählungsfrage nicht so beliebt ist. Trotzdem würden alle, die man fragt, Gott die Ehre für ihre Wiedergeburt (und das Bleiben im Glauben) geben. Sie legen zwar mehr Wert auf den freien Willen, leugnen aber auch nicht, dass Wollen und Vollbringen (um es mal so zu sagen) von Gott abhängig sind.
@Rene:
Meines Erachtens wird in der Apostelgeschichte das Thema Erwählung mittels der Wendung “ zum ewigen Leben verordnet “ vor allem gegenüber (noch) Ungläubigen erwähnt. Dein „(eher) nicht“ ist vielleicht nicht ganz zu halten, denn in Apg 13,48 1. Halbsatz werden durchaus Menschen aufgeführt, die nicht unbedingt, d.h. zwingend, unter den Menschen sind, die bereits in Apg 13,48 2. Halbsatz als gläubig bezeichnet werden. Zudem steht dort nur die Bedingung, dass diejenigen, die gläubig sind, auch zum Leben verordnet waren. Es stellt sich dazu die Frage, wann die Gläubigen zum Leben verordnet wurden. Die Verordnung passierte meiner Meinung nach in der Vergangenheit und zwar bevor irgendwer gläubig wurde, denn dies spiegelt auch die Zeitangaben in Apg 13,48 wider. Abgesehen davon zeigt uns ja Römer 5,10 auf, dass wir zumindest Feinde waren als wir mit Gott versöhnt wurden. Da nun bestimmte Menschen gläubig werden und bestimmte Menschen ungläubig bleiben, so besteht durchaus die Vermutung, dass diejenigen, die ungläubig bleiben, auch weiterhin von Gott als Feinde angesehen werden. Zudem darf man in Römer 5,6 bemerken, dass die Zeitangabe „zur bestimmten“ Zeit durchaus auch keinen Anfangspunkt aufzeigt, so dass die Bezeichnung „für Gottlose gestorben“ auch im heutigen Kontext die Bedingung vermittelt, dass die Überwindung der Kraftlosigkeit zeitlos ist. Der historische Kontext vermittelt daher den Erklärungshorizont des Glaubens, damit man erkennen möge, dass es eine Zeit der Feindschaft und Kraftlosigkeit gab, welche allerdings im Zeitpunkt des Glaubens für jeden Gläubigen überwunden wird. Eine unteilbare Zeit – kein gestern – kein morgen – jedoch ein heute, so wie z.B. in 1. Korinther 15,52 auch beschrieben – in einem Nu und zwar als “ atomos “ , d.h. als Atom – als etwas, das unteilbar ist. Dieser Augenblick des Glaubens geschieht allerdings zu einer bestimmten Zeit, denn nicht alle Menschen leben zur gleichen Zeit. Im Leben bestimmter Menschen gibt es aber jedoch diese bestimmte Zeit, in welcher Gott ihnen den Glauben schenkt. Andere Menschen haben dagegen jenen Zeitpunkt nicht. Der Mensch ist folglich nicht für sich verantwortlich, wenn er das Evangelium hört, denn er kann diesen bestimmten Zeitpunkt nicht regeln, indem er Gott vorschreibt, wann er ihm den Glauben zu geben habe. Aus diesem Grunde muss Deine These, dass die Erwählung in der Verkündigung des Evangeliums gegenüber Ungläubigen (eher) nicht erwähnt (Evangelien und Apostelgeschichte) werde, als hinfällig angesehen werden.
„Denn Christus ist, als wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben.“ (Römer 5,6).
„Denn wenn wir, als wir Feinde waren, mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, so werden wir viel mehr, da wir versöhnt sind, durch sein Leben gerettet werden.“ (Römer 5,10)
„Denn so hat uns der Herr geboten: „Ich habe dich zum Licht der Nationen gesetzt, dass du zum Heil seiest bis an das Ende der Erde.“ Als aber die aus den Nationen es hörten, freuten sie sich und verherrlichten das Wort des Herrn; und es glaubten, so viele zum ewigen Leben verordnet waren.“ (Apostelgesichte 13,47.48).
Gnade und Frieden
in Jesus
Oliver
Oliver,
was Rene meint, ist, dass die Auserwählung IN der Verkündigung selten erwähnt wird. Ich sehe jedoch Ausnahmen: zum Beispiel Apg 3,25-26, wo Paulus wohl von Vorherbestimmung spricht.
Ich werde übrigens in der Zukunft solche langwirrigen Beiträge nicht mehr freigeben.
Lieber Jean-Louis,
mit meinem Beitrag wollte ich auf die These von Rene eingehen, mit welcher er behauptete, dass die Erwählung in der Verkündigung des Evangeliums gegenüber Ungläubigen nicht erwähnt würde. Ihm ging es meines Erachtens nicht um die Verkündigung als solche, sondern um die Verkündigung gegenüber Ungläubigen und dies stellte er in den Zusammenhang, die Bibel würde erst in den Briefen des Paulus darauf eingehen, zumal Rene davon ausging, Paulus und die anderen Aposteln würden erst in den Briefen an bereits gläubige Christen davon sprechen, dass die Erwählung und der Glaube von Gott kommen. Ich meine, dass ich dieser These von Rene anhand der Bibel widerlegt habe. In Zukunft also kürzer – ausführlicher ist manchmal aber auch besser ;-)
Gnade und Frieden
in Jesus
Oliver