Ich knüpfe an den Artikel von Apologet.de an ( Was heißt hier reformatorisch? ) und möchte zeigen, dass es in den Gedanken von Reformatoren wie Luther, Zwingli und Calvin nicht um die Frage ging: Wie können wir, jetzt dass wir das Prinzip der Sola Scriptura wieder entdeckt haben, die konfessionellen Grenzen abschaffen? Für sie ging es primär um konkrete Frage wie: Wo ist wahre Kirche, wo ist Einheit möglich und mit wem kann ich Gemeinschaft am Tisch des Herrn haben? Denn zur Zeit der Reformation gab es zahlreiche radikale Sekten, die ebenso den Anspruch erhebten, die Kirche zu reformieren.
Diese Frage ist äußerst aktuell, gerade weil wir in einer Zeit leben, wo insbesondere in der ev. Welt nach Einheit gestrebt wird (im Rahmen der Evangelischen Allianz zum Beispiel), und weil unsere Bekenntnisse zwangsläufig ein wenig in den Hintergrund rücken.
Um diese Frage zu lösen, war – dies gilt für alle Reformatoren – das Glaubensbekenntnis von höchster Bedeutung. Es bildete keine Autorität neben der Heiligen Schrift, sondern war ein konsensuales Hilfsmittel, um festzulegen, was biblisch ist. Sola Scriptura bedeutete niemals, dass man die Schrift willkürlich auslegen durfte! In manchen reformierten Kirchen ist es am Sonntag üblich, einen zweiten Gottesdienst nachmittags zu feiern, wo der Katechismus ausgelegt wird. Dass manche antikonfessionellen reformierte Christen (wie Martyn Lloyd-Jones zum Beispiel) diese Praxis verurteilen, ändert nichts an der Tatsache, dass es eine reformierte Tradition war und bleibt. In den Gedanken der Reformatoren war jede Abweichung von den Bekenntnissen ein Indiz für unbiblische Lehre und ebenso dafür, dass man eventuell mit einer „falschen“ Kirche zu tun hatte.
Das niederländische Bekenntnis (im Artikel 29) gibt uns zum Beispiel diese Definition der wahren Kirche:
Die Kennzeichen, durch welche die wahre Kirche sich von der falschen unterscheidet, sind diese: wenn sich die Kirche der reinen Predigt des Evangeliums und der lautern Verwaltung der Sakramente nach der Einsetzung Christi bedient; wenn sie sich der Kirchenzucht recht zur Besserung der Fehler bedient; wenn sie endlich (damit wir alles mit einem Worte zusammenfassen) alles nach der Vorschrift des Wortes Gottes tut und alles, was ihm widerstreitet, verabscheut und Christus für das einzige Haupt anerkennt …
Diese Definition erlaubt sicherlich eine gewisse Interpretationsfreiheit: wie wir sehen, sind nicht alle Glaubensfragen primordial. Wir sollten dennoch nicht denken, dass diese Begriffe nur sehr vage Konzepte waren und dass jede evangelische/evangelikale Gemeinde diese Bedingungen erfüllt.
Die reine Predigt des Evangeliums
Nicht jede Kirche, die sich mit dem Attribut evangelisch schmückt, ist wirklich evangelisch. Denn im reformierten Sinne geht es dabei zu glauben, dass der Mensch durch Gnade alleine (sola gratia), mittels des Glaubens (sola fide) und aufgrund vom Jesu Werk am Kreuz (solus christus) gerettet werden kann.
Selbstverständlich geht es auch darum, dass diese zentrale Botschaft gepredigt wird und dass wir fest daran glauben, dass sie Menschen zur Umkehr führen kann. Man könnte hier die Frage stellen: wie viele Gemeinden sind wirklich bemüht, dieses Evangelium zu predigen?
Die lautere Verwaltung der Sakramente
Mit Sakramenten sind nicht die 7 Sakramente der katholischen Kirche gemeint, sondern nur die beiden, die Jesus eingesetzt hat: die Taufe und das Abendmahl. Diese Sakramente sind Wahrzeichen unserer Errettung. Wer sie ignoriert, ignoriert die Tatsache, dass der Mensch subjektiven Empfindungen nur schlecht vertrauen kann und dass Gott aus diesem Grund neben seinem Wort auch konkrete Zeichen bestimmt hat, um den Glauben zu stärken.
Mit lauterer Verwaltung der Sakramente ist folgendes gemeint: ist die Bedeutung dieser Zeichen für alle klar? Werden die Sakramente von den richtigen Personen empfangen? Nehmen wir das Abendmahl zum Beispiel ! Wenn das die höchste Form der Gemeinschaft zwischen dem erhöhten Christus und seiner Gemeinde bedeutet, dann soll unbedingt vermieden werden, dass „unwürdige“ Menschen daran teilhaben.
Die Kirchenzucht
Der Begriff klingt vielleicht für viele veraltet. Kirchenzucht bedeutet vor allem, dass Kirche in erster Linie keine ungenaue, überkonfessionelle Größe ist, sondern eine sichtbare Einrichtung mit Gaben und Ämtern. Viele Evangelikale meinen, sie brauchen keine örtliche Kirche, weil sie sowieso Mitglied in der „unsichtbaren“ Gemeinde Jesu sind. Es ist leider oft so, dass wenn jemand Ärger in seiner Gemeinde bekommt, er in eine andere geht. Viele fühlen sich keineswegs verpflichtet, regelmäßig in den Gottesdienst zu gehen und sind mit ihrem Hauskreis zufrieden. Und das Schlimme ist: die Gemeindeleiter unternehmen oft nichts dagegen, oder dürfen nicht.
So hat sich Jesus Christus die Gemeinde nicht vorgestellt, sondern hat zu Petrus gesagt:
Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.
Matthäus 16, 18-19
Im Grunde bedeutet das Amt der Schlüssel folgendes: Was in der örtlichen Gemeinde geschieht hat auch Konsequenzen im Himmel. Die Aussage „Kein Heil außerhalb der Kirche“ ist deshalb auch reformiert.
Ist Gemeinschaft nur innerhalb der wahren Kirche möglich?
Eine wichtige Frage bleibt dennoch: wie verhalten sich reformierte Christen mit „Christen“, die der wahren Kirche nicht angehören? Sind Christen auch dort zu finden? Ich glaube schon! Um jedoch sicher zu erfahren, ob wir mit jemand eine innige Gemeinschaft haben können, besitzen wir (laut historischen reformierten Bekenntnissen und Kirchenordnungen) nur zwei Kriterien:
- das Bekenntnis dieses Menschen: bekennt er einen „reformierten“ Glauben?
- die Lebensführung dieses Menschen: sucht er Gott zu gefallen oder handelt es sich um ein Lippenbekenntnis?
Die erste Frage macht uns Schwierigkeiten, denn viele behaupten heute „reformiert“ oder „reformatorisch“ zu sein. Ist jemand, der an die 5 Solas der Reformation und an die 5 Punkte des Calvinismus (oder nur an 4 davon) „reformiert“? Kann ein Reformierter Dispensationalist sein? Welche Rolle spielt seine Ekklesiologie (sein Verständnis von Gemeinde)? Dürfen Presbyterianer (die glauben, dass ihre Kinder im Bunde sind) Reformierte Baptisten zum Tisch des Hernn zulassen? Und umgekehrt: dürfen Reformierte Baptisten Gemeinschaft mit Presbyterianern haben, wenn diese „nicht getauft“ sind?
Ich habe nicht vor, diese Fragen hier zu beantworten. Einer der Gründe dafür ist, dass es unter den reformierten (!) Kirchen keine eindeutige Position gibt.
[…] Artikel Christozentrisch: Wo ist wahre Kirche? Was heißt hier “reformatorisch”? Weitere Entwicklung an der ART W. Nestvogel – […]
Hallo,
reformatorisch ist vor allem der von Martin Luther (wieder)entdeckte Grundsatz in Römer 1,17, dass der Gerechte aus Glauben leben wird.
Hier zum Lesen die Bibelverse in Römer 1,16.17 nach der revidierten Elberfelder Bibel 2006:
„Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, ist es doch Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden, sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen. Denn Gottes Gerechtigkeit wird darin offenbart aus Glauben zu Glauben, wie geschrieben steht: „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben.““
Dagegen kann man eine Lehre als Gegenteil von „reformatorisch“ bezeichnen, wenn z.B. die einzelnen Elemente von Galater 6,12 erfüllt sind:
„So viele im Fleisch gut angesehen sein wollen, die nötigen euch, beschnitten zu werden, nur damit sie nicht um des Kreuzes Christi willen verfolgt werden.
„Nicht reformatorisch“ bedeutet also, eigenhändig zu verhindern, dass man selber nicht verfolgt wird !!! (Vgl: Johannes 15,20; 16,2; 2. Tim 3,12).
Die Menschen aber, welche vor allem andere Menschen dazu anhalten wollen, ein bestimmtes Verhalten an den Tag zu legen, sind demnach solche Menschen, die „nicht reformatorisch“ handeln und denken, weil sie nicht um des Kreuzes Christi willen verfolgt werden wollen.
Es sind Menschen, die den Begriff „reformatorisch“ umdeuten, damit andere Menschen so sein sollen bzw. sich so verhalten sollen wie sie, aber nicht so, wie die Bibel es den Menschen aufweist.
Nach 1. Thessalonicher 1,6 werden Christen im reformatorischen Sinne bedrängt sein, wenn sie das Wort Gottes aufnehmen.
Reformatorisch bedeutet daher nicht, sich irgendwelchen Verhaltensweisen unterzuordnen, sondern nur und ausschließlich bedrängt zu sein vom Wort Gottes, d.h. das Evangelium Gottes verfolgt den Menschen und nicht ein bestimmtes, von anderen Menschen gefordertes Verhalten.
Die reformatorische Lehre besagt ausschließlich nach Römer 1,17:
„Der Gerechte aber wird aus Glauben leben.“
Mehr auch nicht !
Vor Gott sind alle Menschen gleich und wer aber dagegen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder einer bestimmten sozialen Schicht den Vorrang gibt, um damit eine eigene Lehre zu begründen, handelt folglich nicht im reformatorischen Sinne.
Folglich ist derjenige, der dem irdischen Volk Israel eine besondere Stellung verschaffen möchte, kein Vertreter der reformatorischen Lehre. Es liegt dazu auch eine andere Sichtweise in der Frage der Heimsuchung Gottes vor, zumal die Bibelverse in 5. Mose 32,29; Jeremia 5,31 und Lukas 19,42-44 die Frage aufwerfen, was zum Frieden dient. Die Befürworter des irdischen Israels können diesbezüglich nicht die Antwort auf diese Frage geben, ohne ihr Gedankenkonstrukt zu verwerfen und gleichzeitig die reformatorische Lehre zu vertreten.
Ein sowohl als auch charakterisiert jedoch nicht den entscheidenden Ansatz von Martin Luther in Römer 1,17, dass der Gerechte aus Glauben leben wird.
Gnade und Frieden
in Jesus
Oliver
Oliver,
mir war es wichtig zu zeigen, dass Kirche nicht nur ein“geistliches Israel“ ist, also ein erkauftes Volk aus allen Nationen, welches „aus Glauben“ lebt, sondern auch eine sichtbare Institution, die auf das Wort hört, die Sakramente bewahrt und sich der Kirchenzucht unterstellt. Deshalb bin ich Reformiert und nicht nur „reformatorisch“.
Gruß, Jean-Louis
(etwas verbesserte Version von)
Hallo Jean-Louis,
zu Deiner Antwort ergibt sich aber nun die Rückfrage, was Du dann ggf. als „corpus per mixtum“ verstehst. Dieser Begriff wird allgemein für die sichtbare Kirche als Vermischung von Gläubigen und Ungläubigen verwendet. Das geistliche Israel steht dagegen für die unsichtbare Kirche, welche als Gemeinschaft aller Heiligen (Gläubigen) fungiert. Mit dem reformierten Grundsatz „finitum non capax infinti“ kann man zudem feststellen, dass das Endliche nicht fähig ist, das Unendliche zu fassen. Sollte dies aber nur für die einzelne Person gelten oder etwa wohl nicht auch für die sichtbare Institution „Kirche“ ?
Du schreibst: „Um jedoch sicher zu erfahren, ob wir mit jemand eine innige Gemeinschaft haben können …“ und dabei benutzt Du so selbstverständlich jenes kleine Wort „können“, das uns anzeigt, man habe die Fähigkeit, dies so zu tun. Dabei unterstreichst Du sogar, man könne dies tun in ‘ sicherer Erfahrung ‘. Hierzu führst Du außerdem an, dass man „nur zwei Kriterien“ hätte, um zu erkennen, dass man es mit einem Gläubigen oder mit keinem Gläubigen zu tun habe. Mich würde nun schon interessieren, wie Du darauf kommst, dass man einerseits jene Fähigkeit zum Bemerken der von Dir vorgebrachten Kriterien hat und dass diese Kriterien dann in sicherer Erfahrung die Erkenntnis vollbringen vermag, um festzustellen, dass man es mit einem oder mit keinem Gläubigen zu tun hat.
Dein Anliegen, die Sakramente zu bewahren und sich der Kirchenzucht zu unterstellen, ehrt Dich, wird aber wohl nur für Dich persönlich eine besondere Bedeutung haben. Und „ob wir mit jemand eine innige Gemeinschaft haben können“ oder nicht, entscheidet doch wohl das Personalpronomen „wir“ in der Gestalt der Gemeinde und nicht die jeweilige Einzelperson, oder?
Du schreibst zu Recht: „Im Grunde bedeutet das Amt der Schlüssel folgendes: Was in der örtlichen Gemeinde geschieht hat auch Konsequenzen im Himmel. Die Aussage „Kein Heil außerhalb der Kirche“ ist deshalb auch reformiert.“
Allerdings bezieht sich z.B. nach dem Heidelberger Katechismus zur Frage 81 in Verbindung mit Frage 82 das Amt der Schlüssel auf das eigene und persönliche Missfallen wegen der eigenen und persönlichen Sünde. Es handelt sich also dabei um eine Zucht, die die eigene und persönliche Gewissensfrage in den Vordergrund stellt. Es ist aber sehr fraglich, ob die christliche Kirche die Personen, die vom Abendmahl ausgeschlossen wurden, überhaupt etwas „zur Besserung ihres Lebens“ bewirken kann. Ist es nicht vielmehr so, dass „die Unbußfertigen“ und „Heuchler“ sich selbst zum Gericht essen und trinken ? Warum dann jene noch vom Abendmahl abhalten ?
Aus der biblischen Perspektive würde ich meinen wollen, dass kein Mensch fähig ist, sich gemäß 1. Korinther 11,28 selbst zu beurteilen. Jedoch scheint es so zu sein, dass der gläubige Mensch nach 1. Korinther 11,29 den Leib des Herrn richtig zu beurteilen vermag. Demnach käme es wohl darauf an, die Gemeinde als den Leib des Herrn richtig beurteilen zu können. Die Fähigkeit, sich selbst zu unterscheiden im Sinne von 1. Korinther 11,31, kommt jedoch wohl aber nur von dem Herrn Jesus, denn nur ER richtet und züchtigt uns, „damit wir nicht mit der Welt verurteilt werden“ (1. Korinther 11,32). Dies ist aber nicht eine kollektive Aufgabe aller Gemeindemitglieder gegenüber einer bzw. bestimmter Personen, sondern wohl nur des jeweiligen Individuums innerhalb der Gruppe, um selbst für sich herauszufinden, ob man eine innige Gemeinschaft mit dieser oder jener Person hat bzw. haben kann. Sofern es aber um das Bekenntnis und um das Leben jener Personen gehen sollte, die sich als Ungläubige und als Gottlose erzeigen, so hat dann aber die Gemeinde durchaus das Recht, jene vom Abendmahl auszuschließen.
Allerdings ist fraglich, wer dies innerhalb der Gemeinde erkennen vermag, ob nun andere Menschen sich als Ungläubige oder Gottlose ausweisen. Es besteht dazu nämlich durchaus die Gefahr, in die Gesetzlichkeit zu verfallen, da man meinen könnte, dass ein bestimmtes Bekenntnis oder eine bestimmte Lebensführung nicht nach bestimmten Menschensatzungen erfolgt. Ein Ausschluss vom Abendmahl unter falschen Voraussetzungen muss wohl deshalb auch als Sünde in Betracht kommen.
Daher kann es doch nur so sein, dass ausschließlich die jeweilige Predigt des heiligen Evangeliums die Züchtigung beim jeweiligen Menschen bewirkt, um ihn in die christliche Bußzucht zu nehmen (vgl. Heidelberger Katechismus – Frage 83). Predigt und christliche Buße gelten daher zusammen als das Amt des Schlüssels, um das Himmelreich den Gläubigen aufzuschließen bzw. den Ungläubigen zuzuschließen.
„Die Besserung des Lebens“ (vgl. Heidelberger Katechismus – Frage 82) bezieht sich demnach nicht auf das irdische Leben, sondern auf das geistliche Leben, um Jesus „forthin zu leben“ (vgl. Heidelberger Katechismus – Frage 1).
Das Abendmahl dient dagegen nur als göttliches Wahrzeichen und als Versicherung dessen, was uns der Heilige Geist an uns getan hat, nämlich: von unseren Sünden „geistlich“ gewaschen zu werden und am Leib Christi durch die Wirkung des Heiligen Geistes teilzuhaben (vgl. Heidelberger Katechismus – Fragen 73 + 78), denn es geht hier ausschließlich um das „ewige Leben“.
Zu diesem Sachverhalt stellst Du richtigerweise eine Zwischenüberschrift als Frage:
„Ist Gemeinschaft nur innerhalb der wahren Kirche möglich?
Leider beantwortest Du diese Frage nur mit einer weiteren Frage, so dass ich nun hierzu die Antwort darauf geben möchte und zwar: Ja !!!
Ja, denn es ist ausschließlich der Heilige Geist, der die Gemeinschaft schenkt (vgl. 2. Korinther 13,13) und nicht die sündhaften Menschen, die nur nach ihrem Gutdünken selektieren.
Der reformierte Grundsatz “ finitum non capax infniti “ bezieht sich daher auch auf die Kirchenzucht !!!
Leider schreibst Du nun aber:
„Mit lauterer Verwaltung der Sakramente ist folgendes gemeint: ist die Bedeutung dieser Zeichen für alle klar? Werden die Sakramente von den richtigen Personen empfangen? Nehmen wir das Abendmahl zum Beispiel ! Wenn das die höchste Form der Gemeinschaft zwischen dem erhöhten Christus und seiner Gemeinde bedeutet, dann soll unbedingt vermieden werden, dass „unwürdige“ Menschen daran teilhaben.“
Lieber Jean-Louis,
ich möchte Dich fragen: Wie entscheidest Du denn im Sinne einer Vermeidung, wer ein „unwürdiger“ Mensch ist, so dass jener nicht am Abendmahl teilhaben darf?
Reformiert ist nicht gleich reformiert – dies muss hier nun auch einmal festgestellt werden, um hinzuweisen, dass die Kirchenzucht nach dem Heidelberger Katechismus z.B. vor allem auch eine Interpretations- und Auslegungsfrage ist.
Die normierende Norm der Bibel steht doch hoffentlich auch bei uns Reformierten höher im Kurs als die genormte Norm unseres Bekenntnisses.
Gnade und Frieden
in Jesus
Oliver
Oliver,
ich erlaube mir nur dein letztes Kommentar zu veröffentlichen, da es sich um eine verbesserte Kopie des vorherigen Beitrags handelt. Du stellst viele sehr sinvolle Fragen; ich kann aus Zeitmangel leider nur kurze und vielleicht unvollkommene Antworten geben.
1. Die „sichtbare“ Kirche sollte(!) mit der „unsichtbaren“ Kirche übereinstimmen. Leider ist es nicht so, weil wie du schön sagst „das Endliche nicht fähig ist, das Unendliche zu fassen“. So ist diese Kirche manchmal deutlich sichtbar und manchmal weniger. Es ist aber kein Grund, dass wir sie nicht hochschätzen. Da wo das Wort klar gepredigt wird, die Sakramente treu administriert werden und Kirchenzucht erfolgt, sehen wir „mit Sicherheit“ diese Kirche.
2. Mit „Sicherheit“ meine ich „höchstwahrscheinlich“. Im Gemeindeleben hast du leider nicht so viel Zeit, spekulative Theologie zu betreiben. Es ist auch nicht die Aufgabe eines Einzelnen; Älteste haben die Verantwortung, u.a. für die reine Administration des Abendmahls zu sorgen. Dazu brauchen sie wohl OBJEKTIVE Kriterien. Das sind: das Bekenntnis eines Christen und dessen „sichtbare“ Lebenswandel. Oder wie verstehst den Artikel 82 des HK, dass der Zorn Gottes über die ganze Gemeinde erregt werden kann (und nicht nur über Einzelnen)? Darüber hinaus ist selbstverständlich jeder aufgefordert, sich selbst zu prüfen (1Kor 11,28-29).
3. Wer die historischen reformierten Kirchenordnungen näher anschaut, wird feststellen, dass wohl objektive Diskriminierung praktiziert wurde. Es sind nicht sündhafte Menschen, die nach ihrem Gutdünken selektieren, sondern solche, die ein Amt besitzen und sich dafür vor Gott verantworten müssen. Bleiben wir beim HK: die Frage 85 erklärt genug, was das Amt der Schlüssel bedeutet, z.B. dass unbußfertige Menschen vom Abendmahl ausgeschlossen werden sollen.
4. Gut, dass du 2Korinther 13,13 als Beweis für echte geistliche Gemeinschaft nimmst. Ich meine, diese Gemeinschaft ist nur möglich, da wo Kirchenzucht ernst genommen wird, nicht von „fleischlichen“ Menschen praktiziert, sondern von solchen erfüllt mit Liebe und mit dem Heiligen Geist, wie Paulus es den Korinthern immer wieder erklärt (ausgehend von 1Kor. 5). Geistliche Menschen lassen sich mit Sicherheit von der Heiligen Schrift „normieren“, in dem, was sie bekennen.
Friede mit Dir,
Jean-Louis
Lieber Jean-Louis,
vielen Dank für Deine Antworten. Mit einigen Antworten stimme ich überein, mit anderen Antworten allerdings auch nicht.
Zum einen gibt es keine besondere Verantwortung oder Rechenschaftspflicht der geistlichen Leiter vor Gott, denn jene sind so, wie Du und ich, d.h. nicht mehr oder weniger beauftragt. Zum anderen bezieht sich das geistliche Amt in Bezug auf das Dienen in der Gemeinde, denn während die lutherische Lehre vor allem die im Jus divinum (Göttliches Recht) begründete Vollmacht des geistlichen Amtes im Gegenüber zur Gemeinde betont, hebt hingegen die reformierte Theologie nachdrücklich den Dienstcharakter des kirchlichen Amtes hervor.
Das Gesetz ist durchaus eine Orientierung im Kampf zwischen Fleisch und Geist. Das bedeutet dann aber auch, dass der Fluch des Gesetzes aufgehoben ist, nicht aber der Inhalt der Lehre. Christliche Freiheit ist folglich nicht in erster Linie, frei zu sein von etwas, sondern frei zu sein zu etwas. Dem Wiedergeborenen erschließen sich allerdings durch den Gebrauch des Gesetzes (usus in renatis) in Jesus Christus ganz neue Lebensräume. Sie stehen nämlich nicht im Kontext einer Vermeidungsethik, sondern im ursprünglichen, erfüllenden Sinn des Gesetzes, das nicht gegen, sondern für etwas ist.
Hinsichtlich Deiner Aussage, dass objektive Diskriminierung praktiziert wurde, möchte ich meine Missbilligung hiermit ausdrücken, denn dies ist wohl kaum als „reformierte Lehre“ anzusehen. Vielmehr möchte ich hier mit Jesaja 1,17 antworten: „Lernt Gutes tun, fragt nach dem recht, weist den Unterdrücker zurecht! Schafft Recht der Waise, führt den rechtsstreit der Witwe!“
Zu Deiner Frage, wie ich die Frage 82 des HK bezüglich des Zorn Gottes, welcher über die ganze Gemeinde gereizt werden wird, möchte ich mehr mit Jeremia 7,23 antworten: „Hört auf meine Stimme, dann werde ich euer Gott sein, und ihr werdet mein Volk sein! Und geht auf dem ganzen Weg, den ich euch gebiete, damit es euch wohlgeht!“ Soweit ich diesen Bibelvers allerdings verstehe, geht es hier um den „Weg des Friedens“, der wohl auch unter Reformierten auslegungsbedürftig zu sein scheint. Auf dem Weg des Friedens geht nämlich kein Mensch (vgl. hierzu Jesaja 59,8.9; Lukas 1,79; Römer 3,17). Allerdings ist richtig, dass die Frage 82 des HK durchaus davor warnt, keinen Anlass zur Sünde zu geben bzw. entstehen zu lassen. Jedoch meine ich, dass jede Vermeidungspraxis auch den Impetus der Sünde mit sich trägt, sofern das Ausschlussverfahren vom Abendmahl uns abhalten sollte, Gutes zu tun gegenüber den Hausgenossen des Glaubens (vgl. Galater 6,10).
Gnade und Frieden
in Jesus
Oliver
Lieber Oliver,
Du sagst: „Zum einen gibt es keine besondere Verantwortung oder Rechenschaftspflicht der geistlichen Leiter vor Gott…“
Wie erklärst du dann die Rechenschaftspflicht von Hebräer 13,17 Matthäus 25,19 oder (im AT) von Hes. 34,10 oder Jer. 13,20?
Ich stimme dir zu, was die dritte Funktion des Gesetzes angeht, allerdings betont die Schrift immer wieder, dass der Neue Bund auch Pflichten (und Flüche) mit sich bringt: Hebräer 10, 29-31.
Was Diskriminierung (Unterscheidung) beim Herrnmahl angeht, sie war bei Lutheranern umstritten, aber nicht bei Reformierten! Du hast ansonsten völlig Recht, die „positiven“ Aufgaben der Hirten zu betonen. Es ist auch richtig, sich auf die Überzeugungskraft des Heiligen Geistes durch das Wort zu verlassen, wenn es um den christlichen Wettlauf geht (Heb. 4,11-13).
Friede mit Dir,
Jean-Louis
Lieber Jean-Louis,
es gibt meines Erachtens keine besondere Rechenschaftspflicht der geistlichen Leiter einer Gemeinde vor Gott. Hebräer 13,17 wird zudem oft mit Lukas 12,48 in Verbindung gebracht, wonach aber die Forderungen und durchaus auch die Schläge vom Gemeindevolk ausgeführt werden und nicht von Gott, zumal man mit dem griechischen Wort „aiteo“ die 3. Person Plural entdecken kann. Die vermeintliche Rechenschaftspflicht geistlicher Leiter ist jedoch eine evangelikale Irrlehre, die vor allem durch ein Buch von Alexander Strauch auch noch in Deutschland forciert wurde.
Hesekiel 34,10 ist zunächst einmal auch mit Hesekiel 34,16 in Verbindung zu bringen, wonach Gott meint, dass er mit Recht seine Herde weiden will. Die geistlichen Leiter von heute wissen jedoch häufig nicht mehr bzw. jene haben es auch nie gewusst, dass Hesekiel 34,16 in einem Komplex von Bibelversen zu lesen ist, die nämlich ein Gemeinsames und Übereinstimmendes hervorgehen lassen. Im Neuen Testament lesen wir daher in Johannes 21,15-17 die Prüfung des Petrus, dass nämlich nur der Herr selbst in der Lage ist, die Lämmer und die Schafe zu weiden bzw. zu hüten (vgl. Hesekiel 34,23).
Außerdem sollten auch die meisten geistlichen Leiter wissen, was Jeremia 5,4.5 für sie bedeutet, denn der Weg des Herrn wird hier als das Recht Gottes beschrieben, welches sie eigentlich kennen und befolgen sollten, dies aber jedoch nicht tun können, denn sie haben das Joch zerbrochen. Sogar Jeremia 5,31 zeigt uns, dass das Gemeindevolk die falschen Prophetien liebt und es einfach so hinnimmt (vgl. 2. Korinther 11,4). Dagegen verstehen aber einsichtige Gemeindemitglieder, was man selber am Ende von all dem tun wird.
Der Weg des Friedens, den die gottlosen Menschen nicht kennen (vgl. Jesaja 59,8.9; Lukas 1,79; Römer 3,17), ist dagegen das Recht Gottes in der Gestalt Gottes und zwar als Geist des Rechts (vgl. Jesaja 28,5.6), welcher für den gläubigen Menschen außerdem eine Heldenkraft bewirkt, um den inneren Kampf ans Tor der Gerechtigkeit zu drängen. Die reformierte Lehre basiert vor allem auf das geistliche Prinzip des „Christus in Dir“, „denn ein Gott des Rechts ist der Herr“ (vgl. Jesaja 30,18), um das Rechte zu tun vor seinem Vater, denn nur Gott, der Sohn, ist würdig vor Gott, dem Vater, seine Rechtsforderungen zu erfüllen.
Die damaligen geistlichen Führer weideten sich selbst und auch heute noch geschieht dies so, sofern sie nicht nach dem Recht Gottes fragen. Es lohnt sich daher, eine Bibelarbeit mit Exegese alleine nur über dem Bibelvers in Philipper 3,3 anzufertigen.
Für die geistlichen Leiter gilt daher zu verstehen, wie sie Jesaja 45,5; Psalm 18,33; Hiob 38,3; Lukas 12,35; 2. Mose 12,11; Epheser 6,14; 1. Petrus 1,13 für sich selber behandeln. Erst dann gilt für das Gemeindevolk Hebräer 13,17.
Gnade und Frieden
in Jesus
Oliver
Oliver,
…“Die vermeintliche Rechenschaftspflicht geistlicher Leiter ist jedoch eine evangelikale Irrlehre“…
Sei vorsichtig, dass du mit solchen Aussagen nicht selbst zum Irrlehrer wirst und nicht nur Evangelikalen, sondern auch der ganzen Kirchentradition widersprichst! Johannes Chrysostomos „zitterte“ vor dem Gedanken irgendwann Rechenschaft ablegen zu müssen.
Ich will nichts mehr viel darüber sagen: Lies nur noch in Apostelgeschichte 20,26-28, wie Paulus Hesekiel 33,6 z.B. auslegt!
In aller Liebe,
Jean-Louis
Jean-Louis,
ein Ja ist ein Ja und ein Nein ein Nein !!!
Was ich hier geschrieben habe, halte ich für richtig !!!
Die vermeintliche Rechenschaftspflicht geistlicher Leiter ist eine evangelikale Irrlehre.
In Bezug auf Apostelgeschichte 20,28 würde ich mehr auf den Vers 32 schauen, wonach folgendes geschrieben steht: „Und nun befehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade, das die Kraft hat, aufzuerbauen und ein Erbe unter allen geheiligten zu geben.“
Ein Hirte oder ein Lehrer oder ein Pastor oder ein Prediger oder ein Ältester ist ohne den Heiligen Geist gar nichts ! Daher hat Apg 20,32 den absoluten Vorrang vor Apg 20,28 !
In Hesekiel 33,6 vernehmen wir – und nicht nur dort – den Hinweis, dass Gott das Blut anderer Menschen von der Hand geistlicher Führer fordern wird, sofern jene das Volk nicht warnen würden. Einerseits bezieht sich dies auf den jeweiligen geistlichen Leiter selbst, denn dies dürfen zumindest in Hesekiel 33,9 lesen. Andererseits bezieht sich diese Warnung auf die Umkehr, die sowieso kein Mensch von sich aus alleine schaffen kann, zumal die Buße auch ein Gnadengeschenk von Gott ist. Des Weiteren bezieht sich der Glaube an sich auf die Souveränität Gottes und nicht auf den freien Willen des Predigers bzw. des jeweiligen Menschen. Wer anders denkt, ist zumindest arminanisch und kein Anhänger der reformierten Theologie.
Hesekiel 18,4.20 in Verbindung mit Matthäus 12,34 müsste vor allem hier auch noch angeführt werden !
Abgesehen davon bezieht sich der Ausspruch, „das Blut des anderen von deiner Hand fordern“, auf das „Reden“, was insbesondere in beiden Testamenten als „Frieden“ bezeichnet wird. Denn es geht ggf. um das Reden, welches nicht vorgenommen wird. Allerdings hat auch hier der Mensch keine Fähigkeit dazu, ohne den Heiligen Geist irgendetwas zu tun, denn die Predigt beruht auf die Kraft Gottes und in Erweisung des Heiligen Geistes und nicht auf Menschenweisheit (vgl. 1. Korinther 2,4.5).
Die Wegnahme der Sünde bedeutet zudem, dass Gott Dir sein Wort in Deinen Mund legt (vgl. Römer 11,27 mit Jesaja 59,21 und Psalm).
Dagegen ist das Reden, welches nicht vorgenommen wird, weil es nicht durch den Heiligen Geist eingegeben ist, eine Sünde im Sinne von 4. Mose 32,23; 5. Mose 24,16; 1. Samuel 25,26; Hesekiel 3,19; Matthäus 12,37; Apostelgeschichte 18,6; Galater 6,7.8.
Das Blut bezeichnet in diesem Falle den Weg des Gottlosen, den anderen Menschen sowieso nicht beeinflussen können, denn es ist ausschließlich der Geist des Rechts des Herrn Jesus Christus, der den Weg des Friedens geht.
Die Jünger Christi sollte zumindest um die Bibelverse in Josua 3,4; Psalm 25,12; Psalm 32,8; Jesaja 48,17; Johannes 10,4 hinsichtlich ihrer Nachfolge wissen, was es bedeutet, den den Weg des Friedens zu gehen.
Apostelgeschichte 20,28 bezieht sich meines Erachtens nur auf die Interpretation von Paulus zu Jeremia 3,15, Jeremia 23,4; Hesekiel 34,23; Zefanja 3,13.
„Christus in Dir“ durch den Heiligen Geist, der zudem der Geist des Rechts ist, zu welchem die göttlichen Liebe der Agape gehört, so dass wir sagen können: „Mit Recht liebt man dich.“ (Hohelied 1,4), denn „Gott ist die Liebe“ (vgl. 1. Johannes 4,7-21).
In aller Liebe !
Gnade und Frieden
in Jesus
Oliver
Wo ist wahre Kirche? Hm, „Wie im Himmel, so auf Erden“, oder nicht?