Vor kurzem hat ein Fernseh-Beitrag des ZDF (Frontal 21 vom 4. August 2009) die Aufmerksamkeit von vielen erregt. Dabei wurde die Frage gestellt, ob evangelikale Mission die Arbeit humanitärer Organisationen in nicht-christlichen Ländern nicht erschweren würde? In anderen Worten: Ist das, was diese Gruppierungen machen, nicht eher Unfug, so dass sie lieber Platz für wichtigere Aufgaben machen sollten?
Zunächst müssen wir definieren, was unter Mission vestanden wird. Wenn eine katholische Organisation wie die Caritas evangelikale Werke kritisiert, weil sie neben ihrem (pseudo)humanitären Einsatz Menschen aus anderen Religionen „bekehren“ wollen, versteht sie Mission eher als einen guten Dienst an die Menschen. Darunter verbirgt sich selbstverständlich ein bestimmtes theologisches Verständnis: Mission, genauer gesagt Diakonischer Dienst, ist vor allem ein Liebeserweis an die Menschen. In dem Leitbild der Caritas stehen folgende Sätze:
Gott ist ein Gott der Liebe; er befähigt zu Liebe und ruft zum Helfen…Jesus von Nazaret hat in einmaliger Weise die Botschaft vom mitsorgenden und mitleidenden Gott verkündet. Er hat diese Botschaft vorgelebt und zur unbedingten Nachfolge aufgerufen.
Für die Caritas ist leider die einzige Motivation diese; in deren Leitbild steht kein Platz für eine Gute Nachricht, die von Gottes Gerechtigkeit und Vergebung der Sünde spricht.
Für viele evangelikalen Werke hat leider Mission eine genauso schmalspurige Bedeutung: es geht oft darum, einen kleinen Trip ins Ausland zu machen und dabei ein Paar Traktate zu verteilen. Wie die Menschen mit ihren leiblichen Problemen umgehen ist nicht ihre Verantwortung. Die Kritik an bestimmten Missionswerken, die in dem ZDF-Beitrag formuliert wurde, dass sie mit unseriösen Argumenten werben, ist leider gerechtfertigt. Zum Glück sind nicht alle christlichen Organisationen so gesinnt.
In den Augen Jesu hat Mission eine besondere Dimension. Es ist vor allem der Auftrag, den die Apostel angefangen haben und die Kirche als Leib fortsetzen soll. Es geht primär um die Evangelisation der Welt, und Evangelisation ist Aufgaben von gesandten und ausgebildeten Predigern. Dass einzelne Christen diesen Auftrag alleine erfüllen wollen, liegt darin, dass die Kirche Jesu diesen wichtigen Auftrag vernachlässigt hat.
Bei dem Missionsauftrag geht es auch um Prioritäten:
1. In erster Linie müssen die verlorenen Menschen die Gute Nachricht erfahren;
…denn was hilft es ihnen, wenn ihr irdisches Leben erleichtert wird, sie aber müssen irgendwann Gottes Gericht fürchten. Die Bibel ist ganz klar: der Mensch ist liebenswürdig, aber er bleibt ein Sünder.
Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.
Johannes 3, 36
2. In zweiter Linie beinhaltet auch der Auftrag der Kirche einen Liebesdienst an die Menschen. Dieser Dienst kann wohl neben der Arbeit von anderen nicht-christlichen philanthropischen Organisationen getätigt werden.
Jakobus betont in seinem Brief:
Wenn ein Bruder oder eine Schwester Mangel hätte an Kleidung und an der täglichen Nahrung und jemand unter euch spräche zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gäbet ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was könnte ihnen das helfen? So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber.
Jakobus 2, 15-17
Wir sehen zum Beispiel, dass Paulus immer an die Bedürfnissen der Armen gedacht hat und eine Spendenaktion für die Armen in Jerusalem organisiert hat: In Römer 15, 25-26 sagt er:
Jetzt aber fahre ich hin nach Jerusalem, um den Heiligen zu dienen. Denn die in Mazedonien und Achaja haben willig eine gemeinsame Gabe zusammengelegt für die Armen unter den Heiligen in Jerusalem.
In diesem Zusammenhang ist neben der Evangelisation eine diakonische Tätigkeit auch gerechtfertigt. Auch Sie ist Aufgabe der Kirche, insbesondere der örtlichen Kirche (wenn sie bereits existiert), wie wir es in Apostelgeschichte 6, 2-3 sehen:
Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen. Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst.
Ob Mission in der heutigen Gesellschaft so verstanden wird ist fraglich. Aber die Kirche Jesu soll sich nicht an Umfragen orientieren und sich nicht an Trends anpassen.
Hallo,
zuerst einmal möchte ich betonen, daß ich sowohl Deiner Kritik an dem katholischen (soziale Diakonie als Mission), wie auch dem evangelikalem (temporale Indvidualevangelisation) Irrtum bezüglich der Mission teile.
Infrage stellen möchte ich jedoch einen unmittelbaren vorhandenen (biblischen) Zusammenhang zwischen Mission und Diakonie.
Zum Missionsauftrag gehört m.E. neben der Verkündigung des Evangeliums auch das Taufen (Matth28,19;Mk16,15,16), aber nach meinem Dafürhalten kein soziales Engagement. Dies ist ohne Zweifel eine natürliche Folge erweckten Lebens, gehört aber nicht zur Mission, dem Auftrag den Menschen zuzurufen: Laßt Euch versöhnen mit Gott (2Kor 5,20).
Ich denke, daß mit einer praktischen Handlungsweise – Evangeliumsverkündigung gekoppelt mit sozialem Engagement (kerygma/diakonia) das Evangelium keineswegs verändert wird, aber das dies sehr wohl geschieht, wenn eine solche Meinung explizit als Dogma/Lehrsatz vertreten wird bzw. Predigt ohne Diakonie als „zu wenig“, „nicht ausreichend“ etc. angesehen wird.
Diakonie und Koinonia (Dienst und Gemeinschaft) waren und sind ein Zeichen der Liebe innnerhalb der Gemeinde (Joh 13,35;Apg2,41-47 etc.), aber keinesfalls Mittel der Mission. Erst recht nicht als nötige Unterstützung der genügsamen Kraft des verkündigten Wortes (1Kor1,18ff; Röm10,17 etc.).
Die explizite Verpflichtung der Liebe untereinander und Verantwortung füreinander, existiert schriftgemäß für Kinder Gottes untereinander. Ebenso existiert jedoch die Aufforderung Christi sich den Staub von den Füßen zu schütteln wenn das Evangelium nicht angenommen wird bzw. diesen gegen die Personen zu schüttlen, als eine Art der Gerichtsverheissung.
Soli Deo Gloria
Andreas
Lieber Andreas,
ich danke dir für deinen kritischen aber dennoch interessanten Beitrag!
Ja, du hast Recht; zum Missionsauftrag gehören auch Dinge wie das Taufen und das Lehren (Mt 28, 20). Ziel der Mission ist letztendlich, dass Menschen zu reifen Jüngern werden und solide Gemeinden entstehen.
Ich hoffe, ich habe auch nicht den Eindruck vermittelt, dass Mission und Evangelisation austauschbare Begriffe sind. Evangelisation ist nur ein Teil davon. Zu Mission gehört auch, dass wir den Menschen nahe legen, was Jesus gelehrt hat. Jesus hat aber gelehrt, dass Barmherzigkeit unseren Charakter kennzeichnen sollte. Dies sollten die Geschwistern im Glauben spüren aber auch die übrigen Menschen, ab dem Moment, wo sie in Kontakt mit der Gemeinde Jesu treten.
Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass man in armen Ländern den Missionsauftrag Jesu erfüllen kann und dabei die materiellen Probleme übersehen kann. Das liegt daran, dass wir im Vergleich zu diesen Menschen unglaublich wohlhabend sind. Für mich gilt das, was Jakobus sagt: du kannst keinen wahren Frieden wünschen (das Evangelium!) und gleichzeitig die Bedürfnisse des Leibes ignorieren.
Diesbezüglich sehe ich viel zu viele Stellen im Neuen Testament, wo die Jünger Jesu aufgefordert sind, an die Armen zu denken. Ich denke zum Beispiel an Galater 2, 10. Was hätte sonst diese Aufforderung dort zu suchen?
Es geht keinesfalls dabei, wie du es richtig betonst, die Kraft des Evangeliums mittels Diakonie unterstützen zu wollen. Ich gebe dir aber nicht unbedingt Recht, wenn du sagst, dass es keinen Zusammenhang zwischen Mission und Diakonie gegeben hat.
Natürlich besteht das Risiko, dass dieser Liebesdienst missverstanden wird. Aber ist Gott nicht ein Gott, der seine Sonne über Böse und Gute aufgehen lässt (Mt 5, 45) und sind wir nicht seine Kinder?
Jean-Louis
Hallo Jean-Louis,
Du hast ja bereits in Deinem Artikel auf einige Bibelstellen Bezug genommen (Jak2; Röm15; Apg6), aber dort, wie auch in Gal2,10 sehe ich keinen Beleg für einen Zusammenhang zwischen Mission und Diakonie. In allen Fällen geht es um bereits gläubig gewordene Menschen, nicht um Ungläubige.
Man liest doch m.K.n. nirgends etwas von humantitären Hilfseinsätzen der Apostel oder ersten Christen, sondern ausschließlich von der Verkündigung des Evangeliums, dem Aufruf zur Buße für die Heiden einerseits und dem Aufruf zur Liebe und gegenseitigen Verantwortung unter den Gläubigen.
Wie gesagt, wahrhaft Gläubige werden der Not anderer Menschen – Ungläubigen – nicht gleichgültig gegenüberstehen können und sind – wie Du richtig einwendest – gefordert dem Vorbild des Vaters (Matth5, 45) zu folgen, aber ich kann immer noch keinen biblischen Beleg für die Gleichung „Mission=Evangelsiation+Diakonie“ erkennen.
Ich zitiere mal aus einem anderen Blog (http://carpentarius.wordpress.com/2008/11/30/wort-und-tat/) ein paar aufschlußreiche Gedanken:
„Predige das Evangelium zu jeder Zeit; wenn nötig, gebrauche Worte soll Franz von Assisi gesagt haben. Heute hört man dieses Zitat in christlichen Kreisen oft. Wir sollen Menschen mit einem authentischen Lebenswandel von unserem Glauben überzeugen; unseren Worten nicht nur Taten folgen, sondern auch vorausgehen lassen.
Der Apostel Paulus schreibt den Christen in Rom: So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi. (Röm. 10,17; Luther ´84) Gott, der den Menschen aus Gnade, durch den Glauben, rettet, hat sich die Predigt, die Verkündigung des Evangeliums, zu der Ordnung gewählt, durch die Er wirkt. Da Er es aber ist, der erwählt und Glauben weckt, ist der Charakter und die Integrität, ja sogar die Absicht des Predigers, von untergeordneter Bedeutung. Deshalb konnte Paulus aus der Gefangenschaft an die Philipper schreiben: Einige zwar predigen Christus aus Neid und Streitsucht, einige aber auch in guter Absicht: diese aus Liebe, denn sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums hier liege; jene aber verkündigen Christus aus Eigennutz und nicht lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft. Was tuts aber? Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber. (Philipper 1,15-18) Jedes Mal, wenn ich diese Stelle lese, muss ich schmunzeln. Da sitzt der Apostel der Heiden im Gefängnis, gebunden, nicht in der Lage das Evangelium in der Öffentlichkeit zu verkündigen und die Gemeinden zu besuchen und muss ansehen, wie einige Evangelisten sich falsch verhalten, wir würde vielleicht sogar sagen: Schaden anrichten, aber Paulus, anstatt sich zu ärgern und zu grollen, freut sich darüber, dass sie trotzdem das Evangelium predigen. Aber es macht mich auch nachdenklich. Denn so wichtig es ist, nach Gottes Geboten zu leben (1Petrus 2,15), scheint doch die Botschaft der Christen wichtiger zu sein. Und vielleicht sollten wir auch nach diesem Prinzip die Aktivitäten verschiedener christlicher Gemeinden beurteilen, denn die Botschaft des Evangeliums ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben (Römer 1,16). So werden Menschen wiedergeboren ,nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da bleibt. (1Petrus 1,23) “
Nicht das Du mich falsch verstehst… es geht mir nicht darum soziales Engagement, Liebesdienst an Ungläubigen zu bekämpfen, lediglich der Zusammenhang zwischen Mission/Evangelisation und Diakonie ist für mich biblisch nicht erkennbar. Lasse mich da anhand der Schrift gerne eines Besseren belehren!
Soli Deo Gloria
Andreas
[…] dem Blog: Christozentrisch bin ich gerade in eine interessante Diskussion (hier) eingestiegen, in welcher es um die Definition dessen geht, was Mission „ist“ bzw. […]
Lieber Andreas,
diese Diskussion ist mir so wichtig, dass ich hier noch ein Paar Gedanken hinzufügen möchte. Ich verstehe deine Befürchtungen, aber ich halte sie für eine Reaktion auf die heutige abnormale Situation in der Kirche Jesu. Bisher hat mich deine Argumentation nicht überzeugt. Der Zusammenhang zwischen Mission und Diakonie ist wohl biblisch belegt. Die Kirchengeschichte spricht auch dafür.
1. Ich denke nicht, dass soziales Engagement ausschließlich die Aufgabe von einzelnen Christen sein sollte, sondern auch der Gemeinde. Die Gemeinde Jesu hat zwar nicht die missionarische Aufgabe, Armut zu bekämpfen; sie hat den Auftrag, das Evangelium zu verkünden (Evangelisation). Dieser Dienst sollte nicht verunreinigt werden, aber dieser Dienst kann nicht ohne Barmherzigkeit geschehen, da wo sie verlangt wird, insbesondere auf dem Missionsfeld.
Die Urgemeinde hat relativ früh die Notwendigkeit eines diakonischen Dienstes gesehen (Apg. 6). Dieser Dienst ist als Amt anerkannt (1 Kor. 12, 28). Er ist in erster Linie für die Geschwister im Glauben gedacht, aber es ist schwer in der Praxis die Bitten der Außenstehenden abzulehnen. Jesus war uns ein Vorbild: siehe z.B. die Heilung der Tochter der syrophönizischen Frau (Mk 7, 24-30). Die ersten Diakone wie Stephanus und Philippus, die auch Evangelisten waren, hatten durch ihren Dienst enge Kontakte zu Nicht-Christen.
Paulus betont, dass er auch als seine Aufgabe als Apostel die Annahmen der Schwachen sieht (Apg 20, 35). Barmherzigkeit ist deshalb ein wichtiges Merkmal des Reiches Gottes.
2. zu Galater 2, 10
Diese Stelle zeigt, dass der Gedanke, an die Armen zu denken (in dem Fall wahrscheinlich die aus Jerusalem aber es soll auch ein Prinzip sein) für die Apostel so wichtig war, dass es eine hohe Priorität eingenommen hat. Paulus hätte diese Aufforderung ablehnen können, mit der Begründung dass die Wortverkündigung ihm wichtiger war und dass es bereits Diakone dazu gab. Das tut er aber nicht.
3. Praxis der refomierten Kirchen heute
Alle bekennenden reformierten Kirchen (zum Beispiel PCA und OPC in Amerika) haben im Rahmen ihrer Missionsarbeit, was sie „Mercy Ministry“ nennen. Nur wenige haben sich dagegen geäußert.
Jean-Louis
Lieber Jean-Louis,
ich bin absolut einer Meinung mit Dir… zum einen, was die grundsätzliche Wichtigkeit dieses Themas angeht, und zum anderen, von dem Anspruch Gottes an den Menschen allgemein, an uns Gläubige insbesondere heilig zu leben ganz zu schweigen (mit all den daraus entstehenden Implikationen bezüglich der Barmherzigkeit, des Dienstes.
Die Schwäche meiner Argumentation sollte Dich jedoch nicht verleiten selbst nicht stärker zu argumentieren ;-)
Denn Du konntest bisher noch keinen tatsächlichen Schriftbeleg für einen spezifischen Zusammenhang zwischen Mission und Diakonie benennen.
zu1. Du führst – hier sind wir uns völlig einig – die frühgemeindliche Entstehung des Diakonats an (Apg6; 1Kor 12,28) und auch Deiner Ableitung, notleidenden Außenstehenden aus Barmherzigkeit zu dienen folge ich ohne Probleme, wenngleich die Schrift nichts dergleichen berichtet.
Die Gläubigen teilten u n t e r e i n a n d e r alles. Daher genossen sie bei den Außenstehenden Ansehen (Apg2,41-47). Jedoch läßt sich daraus ein zwingender Kontext zwischen Mission und Diakonie nicht ableiten. Paulus sammelte in den Gemeinden ausschließlich für die J e r u s a l e m e r G e m e i n d e, nicht für ganz Jerusalem etc. pp.
Das man selbst dem Feind in Not helfen soll steht außer Frage… Du hast selbst auf Matth5,45 hingewiesen. So wie Gott die Sonne über Gerechte=Gläubige und Ungerechte=Ungläubige scheinen läßt, sollen wir barmherzig gegenüber jedermann.
Auch in den Schwachen in Apg20, 35 erkenne ich Gläubige, keine Ungläubigen.
Die messianischen und apostolischen Wunder (Mk 7, 24-30) kann ich weder bei diesen noch anderen Themen als Vorbild für die Gemeinde nachvollziehen.
Ich sehe daher – verzeih – eher Dich in Argumentationsnot bzw. -pflicht.
zu 2. Ich gehe konform mit Dir darin, das man exegetisch grundlegende Prinzipien aus der Schrift ableiten kann und muß, sehe aber diesbezüglich keinen Rückhalt für Deine Position. Auch Gal2,10 gibt es keinen Hinweis darauf, das mit den „Armen“ allgemein jeder gemeint wäre der „arm“ gewesen ist. Im Gegenteil.
zu 3. Gegen „Mercy Ministry“ ist keinesfalls etwas einzuwenden, auch nicht in Verbindung mit Mission. Lediglich eine theologische Verquickung von Dingen, die die Schrift so nicht hergibt lehne ich ab.
Wie bereits im ersten Kommentar gesagt, solange hier kein Dogma erhoben wird bleibt ein Zusammenwirken von Mission und Diakonie in meinen Augen völlig unkritisch. Insofern wären die Positionen der PCA und OPC – so sie Deine Position überhaupt teilen – zu hinterfragen. Denn entscheident sind nicht Stellungnahmen von – und seien es reformierte – Kirchen, auch nicht die Kirchengeschichte – so wertvoll diese auch ist – sondern allein Gottes Wort (Sola Scriptura).
Soli Deo Gloria
Andreas
Lieber Andreas,
1. Du beziehst dich auf das Prinzip von Sola Scriptura und verlangst von mir klare Bibelstellen. Ich denke, dass die Verse und die biblischen Prinzipien, die ich bisher herangeführt habe, völlig ausreichen. Man könnte noch andere Stellen nennen, wie die Speisung der 4000 (Mt. 15, 32ff) oder die Heilung des Gelähmten (Apg 3). Ich habe bereits Markus 7, 24-30 zitiert. Dazu behauptest du, dass messianische und apostolische Wunder nichts mit unserem Thema zu tun haben. Was sind diese Wunderheilungen dann? Sind es nicht u.a. ein Ausdruck der allgemeinen Gnade Gottes? Wie viele von den 5000 oder von den 4000 haben sich bekehrt? In welchem Kontext hat Jesus diese Zeichen vollbracht?
Nur, du möchtest vielleicht einen Vers finden, wo wortwörtlich steht: „Geht in alle Welt, verkündet das Evangelium und helft dabei den Ungläubigen, auch wenn sie eure Botschaft nicht empfangen“. Kannst du mir bitte eine einzige Bibelstelle liefern, wo das Wort „Dreieinigkeit“ zu finden ist? Dennoch ruht diese Lehre auf dem Prinzip von Sola Scriptura. Das hindert leider nicht die Gegner dieser Lehre, „tatsächliche“ Schriftbelege zu verlangen.
Das reformatorische Prinzip von Sola Scriptura bedeutet nicht SOLO Scriptura, wie viele Evangelikale heutzutage denken (d.h. Was nicht in der Bibel schwarz auf weiß steht, interessiert mich nicht!). Es bedeutet, dass unser Glaube sich ALLEIN von der Bibel im Rahmen der Regula Fidei (wie die große Mehrheit der Kirche die Schrift bisher ausgelegt hat) bestimmen lässt und nicht von einer menschlichen Autorität NEBEN der Schrift. SOLO Scriptura führt oft zu einer willkürlichen Interpretation der Bibel, nach dem Motto: Was mich nicht überzeugt, will ich nicht akzeptieren! Sola Scriptura hingegen lässt zu, dass Lehrer der Gemeinde Jesu Bekenntnisse formulieren, die unklare Prinzipien der Schrift für die Nicht-Spezialisten erläutern (wie die Prädestination zum Beispiel). Die Kirchen, die ich erwähnt habe, handeln nach diesem Prinzip und deshalb sind ihre Positionen wertvoll.
2. Ich habe den Eindruck, dass du meine Position etwas überspitzt darstellst; ich habe genügend erklärt, dass ich mir unter biblischer Diakonie nicht etwas vorstelle wie die Caritas oder das Diakonisches Werk. Was ich unter Liebesdienst verstehe, ist eine begleitende Maßnahme und kein Missionsziel an sich. Es geht nicht darum, Hilfsmittel ziellos zu verteilen.
Zum anderen empfinde ich dein Gemeindeverständnis als nicht ganz wirklichkeitstreu. Zwar sagt die Schrift dass die Christen untereinander alles teilten, aber damit wird nicht explizit ausgeschlossen, dass auch Nicht-Christen davon profitierten. Eine örtliche Gemeinde lebt nicht nur unter sich, sondern hat auch mit ungläubigen Menschen zu tun, die manchmal um materielle Hilfe bitten. Die Tatsache, dass man mit Witwen sehr vorsichtig umgehen musste (1 Tim. 5) zeigt, dass die Gemeinde in ihrem Wachstumsprozess mit schweren Entscheidungen konfrontiert wurde. Aber du wirst sagen, dass diese Witwen alle gläubig waren ;-)
Nehmen wir dann ein konkretes missionsrelevantes Beispiel! Eine Kirche beginnt einen missionarischen Dienst in einem armen Land. Ein kleine Gemeinde entsteht. Ein armer Mann kommt zum Glauben und besucht die Versammlungen, seine Frau und Kinder aber nicht. Jetzt ist es so, dass diese Gemeinde materielle Hilfe leisten und Nahrungsmittel unter Armen verteilen möchte. Nach deinem Verständnis, dürfte man diesem Mann helfen, weil er gläubig ist, aber nicht seinen Familienangehörigen, weil sie ungläubig sind. Was wäre das für eine Logik?
Jean-Louis
Lieber Jean-Louis,
vorweg: ich denke das wir letztendlich nicht so weit auseinander liegen wie es vielleicht scheint. Keiner von uns beiden bestreitet den biblischen Auftrag zur Mission oder Diakonie. Weiterhin stimmen wir darin überein, das dies in erster Linie ein Auftrag an die Kirche insgesamt und die kirchlichen Ämter darstellt.
zu 1. Ein unterschiedliches hermeneutisches Herangehen an die Schrift existiert jedoch… und da werden wohl die Unterschiede zu suchen sein die zu den verschiedenen exegetischen Ableitungen führen.
Die Wunder Christi und der Apostel stellen für mich in erster Linie keine individuellen Gnadenerweise Gottes dar; generell meine ich keinesfalls, das daß, was Christus oder die Apostel im Einzelnen taten, grundsätzlich durch die Gläubigen jeweils nachzuahmen wäre. Hierbei ging es doch primär um heilsgeschichtliches Gnadenhandeln an der Menschheit insgesamt zu einem konkreten historischen Zeitpunkt… was in der Folge für viele durchaus irdische Hilfe und Besserung ihrer Situation brachte.
Aber es waren doch z e i c h e n h a f t e Wunder, deren äußere Gestalt g l e i c h n i s h a f t e r Natur gewesen ist.
Betrachtet man beispielsweise einige der Wunder im Johannesevangelium, sollen diese offensichtlich geistliche Wahrheiten transportieren und kein irdisch-persönliches Gnadenhandeln bezeugen.
– Brot des Lebens (6,35 bzw. 6,48)
Zeichen: Speisung der 5000 (6,5-14)
– Licht der Welt (8,12)
Zeichen: Heilung eines Blindgeborenen (9,1-41)
– Die Auferstehung und das Leben (11,25)
Zeichen: Auferstehung des Lazarus (11,1-44)
In eben diesem heilsgeschichtlichen Kontext hat Jesus meiner Meinung nach auf der Erde gelebt und gehandelt. Eben dies erläutern „Spezialisten“ (=Exegeten).
Nach meinem Verständnis ist nun allein die Schrift regula fidei, ist norma normans, alle Bekenntnisse und Überlieferungen dagegen regula doctrinæ bzw. norma normata. Versteh mich nicht falsch, ich achte die Kirchenväter und erst recht die Reformatoren, bekenne mich zu den reformierten Bekenntnissen. Und eben aus diesem Grund kann ich Deiner Argumentation nicht folgen. Denn hier meine ich eine doch eher individualistische Auslegung diverser Bibelstellen vorzufinden.
zu 2. Das meine ich mit der weitgehenden Übereinstimmung zwischen uns. Lediglich den von Dir vertretenen, spezifischen Kontext von Mission und Diakonie, kann ich so weder in der Schrift, noch in den mir bekannten Bekenntnissen wiederfinden. Dein Hinweis auf den „Mercy Ministry“ hat mir da leider noch nicht viel weitergeholfen.
Barmherzigkeit auszuüben ist ein grundsätzlicher Anspruch Gottes an den Gläubigen. Hier besteht kein Dissenz und das dies ebenfalls in einem missionarischen Kontext gilt, ist selbstverständlich. Aber eben nicht als Aspekt der Mission und Verkündigung, die eben eine Scheidung hervorruft, einen Geruch zum Leben, oder zum Tod (2Kor2,15ff).
Zu meinem von Dir mißverstandenem Gemeindeverständnis. Natürlich werden damals, wie heute allgemein auch Ungläubige von den spezifischen Liebensdiensten der Gläubigen untereinander profitiert haben. Und das ist auch gut so. Aber die Priorität wird deutlich herausgestellt:
Galater 6,9. Laßt uns aber im Gutestun nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht ermatten. 10. So laßt uns nun, wo wir Gelegenheit haben, an jedermann Gutes tun, allermeist an den Glaubensgenossen. (siehe auch 1.Thess 5,15 und 2.Thess 3,13)
Der Kontext von 1. Timotheus 5,11 zeigt meiner Meinung in der Tat sehr deutlich das es um gläubige Witwen geht… ;-) Oder Du bist der Ansicht das es sich bei den älteren um Ungläubige und den jüngeren Witwen um Gläubige gehandelt habe…
Zu Deinem Beispiel. Hier hast Du mich wohl völlig mißverstanden. An keiner Stelle sagte ich, das soziales Engagement verboten bzw. nicht angebracht sei. Dies war zu keinem Zeitpunkt mein Punkt. In Deinem Beispiel sind Ehefrau und Kinder ja sogar noch als „geheiligt“ durch den gläubigen Ehemann zu betrachten (1Kor7,12-14). Insofern vertrete ich diese „Logik“ keineswegs und in keinster Weise. Allerdings kann und darf die Zielrichtung der Unterstützung eben nicht missionarischer Natur sein, sondern das Wesen Gottes widerspiegelnd und die Situation eines Bruders mittragend.
sdg
Andreas
Andreas,
Wenn du nichts dagegen hast, schlage ich vor, dass wir diese Diskussion hier abschließen und die Meinungsverschiedenheiten, die du ansprichst (Sola scriptura sowie Bedeutung der Wunder), in weiteren Artikeln besprechen; sie betreffen nämlich nicht direkt unser Thema. Ich melde mich gerne auf deinem Blog und heiße dich bei mir immer Willkommen.
Jean-Louis