Die Schrift alleine

SchriftFast alle protestantischen Kirchen, sowohl die evangelikalen als auch die evangelischen Kirchen, berufen sich auf das Prinzip der Sola Scriptura. Was jedoch bedeutet der Begriff „Sola Scriptura“ eigentlich?

Eine einfache Antwort könnte lauten: die Heilige Schrift allein soll den Inhalt unseres Glaubens bestimmen.

Nur eine Kritik, die die Katholiken an uns richten, ist berechtigt: Wer bestimmt, dass eure Interpretation der Bibel die richtige ist?

Für die Katholiken selbst ist diese Frage einfach zu beantworten: das ist die Kirche; sie garantiert, dass diese Interpretation korrekt ist.

Viele evangelische Christen würden möglicherweise heute folgende Antwort geben: der Heilige Geist garantiert, dass ich mich nicht irre. Diese Antwort geben aber beispielsweise auch die Mormonen und ich persönlich bin davon überzeugt, dass ihr Verständnis von der Bibel von meinem eigenem Verständnis sehr abweicht. Demnach ist diese Antwort nicht zufriedenstellend.

Im Folgenden ist es notwendig, dass wir 2 wichtige Fragen beantworten.

1. Genügt die Bibel bei allen Fragen des Glaubens?

Man spricht dabei von materialer und formeller Suffizienz (Genügsamkeit der Schrift).

  • Materiale Suffizienz bedeutet, dass die Bibel alle Themen behandelt, die für den Glauben notwendig sind. Die römisch-katholische Kirche unterschreibt auch die materielle Suffizienz der Schrift. Eine Bibelstelle hierzu befindet sich in 2 Tim.3, 16-17: Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt.

  • Formelle Suffizienz (Klarheit der Schrift) dagegen heißt, dass die Schrift deutlich genug ist, so dass jeder sie verstehen kann. Damit ist nicht gemeint, wie viele glauben, dass man alles in der Bibel verstehen kann, sondern dass auch Menschen mit schlichtem Geist das Wesentliche verstehen können, das zum Heil notwendig ist. Dafür ist die Leitung der Kirche nicht notwendig. Dies wird von den Katholiken bestritten. Sie sagen, dass die Leitung der Kirche unentbehrlich sei.

2. Wer hat die Autorität die Bibel auszulegen?

Protestanten sagen über die Bibel, sie ist norma normans, das bedeutet die Norm, die alles andere normiert. Die Tradition der Kirche dagegen sollte norma normata, das heißt von der Bibel normiert sein.

Wie soll diese Normierung durch die Schrift geschehen?

Wir behaupten: durch das Prinzip der regula fidei oder der Norm des Glaubens. Dadurch erweist sich ein erneutes Problem: Was ist die regula fidei?

Für die ersten Kirchenväter wie Irenäus, die gegen Irrlehrer zu kämpfen hatten, ist die regula fidei nicht die Bibel selbst (die Irrlehrer beriefen sich auch auf die Schrift), sondern wie die Kirche die Bibel bisher verstanden hat (die apostolische Tradition und die Bekentnisse also). Irenäus verstand dennoch die Tradition als die Art, wie die Kirche seiner Zeit die Apostellehre auslegte und nicht als eine Instanz, die zu der Bibel noch etwas hinzufügen konnte, wie die katholische Kirche es später eingeführt hat.

Bei der Frage des Kanons sagen die Katholiken: Wer hat festgelegt, was die Bibel beinhaltet? Ist es nicht die Kirche? Ja, würde man sagen, aber die Väter haben sich damals nicht als Instanz über die Schrift gestellt, sondern die Bücher aufgenommen, die bereits allgemein anerkannt waren. Genau wie bei dem Alten Testament (welches Israel anvertraut wurde) glauben wir, dass die Vorsehung Gottes dafür gesorgt hat, dass wir die richtigen Bücher haben.

Nun ist es so, dass viele Evangelikale sagen, die Bibel sei alleine regula fidei. Wenn es so wäre, welche Garantie hätte ich dann, dass ich diese Norm richtig auslege? Sie berufen sich deshalb auf das Prinzip der Klarheit der Bibel. Wir haben aber gesehen, dass so etwas nicht gemeint ist. Petrus sagt zum Beispiel:

…die Geduld unseres Herrn erachtet für eure Rettung, wie auch unser lieber Bruder Paulus nach der Weisheit, die ihm gegeben ist, euch geschrieben hat. Davon redet er in allen Briefen, in denen einige Dinge schwer zu verstehen sind, welche die Unwissenden und Leichtfertigen verdrehen, wie auch die anderen Schriften, zu ihrer eigenen Verdammnis. 2 Petrus 3, 15-16

Daher haben die reformierten Kirchen eine besondere Definition der regula fidei entwickelt:

  • Die Schrift ist die einzige unfehlbare Norm des Glaubens. Dagegen können die Menschen irren und sind deshalb fehlbar.

  • Die Bibel muss aber im Rahmen der Kirche ausgelegt werden. Die Tradition ist insoweit auch wichtig, aber sie soll nur als ein hermeneutisches Prinzip helfen und keine neuen Lehren hinzufügen. Interessanterweise beriefen sich Luther und Calvin immer auf die Kirchenväter, als sie problematische Fragen behandelten. Das sollte auch für uns ein Richtwert sein.

  • Unerlässlich sind Bekenntnisse. Sie helfen uns, die Glaubensinhalte zusammen zu fassen und dienen als Bezugspunkte bei der Auslegung der Bibel.

Im Grunde genommen habe ich nie die Garantie, dass ich die Schrift immer richtig auslegen kann, aber wenn ich mich auf diese genannten Prinzipien verlasse, werde ich höchstwahrscheinlich richtig liegen.

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