Der lateinische Begriff Sola Scriptura bedeutet übersetzt: Die Schrift alleine. Gemeint ist, dass die Heilige Schrift (die Bibel) ausreicht, wenn wir wissen wollen, was zu unserem ewigen Heil notwendig ist. Die Schrift vermag sogar noch mehr: laut 2.Timotheus 3,16 vermittelt sie uns alles, was wir brauchen, um vollkommen zu sein und Gutes zu tun. Sie dient also sowohl unserer Rechtfertigung als auch unserer Heiligung.
Was Sola Scriptura nicht bedeutet.
Sola Scriptura bedeutet nicht, dass die Bibel alles enthält, was wir über Gott und seinen Willen wissen wollen. Sie enthält auf jeden Fall, was absolut notwendig ist. Das heißt auch, dass es keine andere Lehre gibt, die wir unbedingt bräuchten, um selig zu werden, die wir nicht in der Bibel finden und uns eine menschliche Institution vermitteln sollte.
Es bedeutet auch nicht, dass keine Regel gelten, um die Bibel richtig zu interpretieren. Wir dürfen nicht die Schrift so auslegen, wie es uns passt. Dafür gibt es ein anderes wichtiges Prinzip: das ist, was man die Glaubensregel nennt (regula fidei). Die Schrift lässt sich nach dem Prinzip der Analogie auslegen. Das heißt zum Beispiel, dass das Neue Testament das Alte erklärt und umgekehrt: das Neue Testament kann nicht unabhängig von dem Alten betrachtet werden. Das heißt auch, dass schwierige Passagen der Schrift sich durch andere Textstellen erklären lassen. Luther meinte: die Schrift ist klar genug, so dass wir die notwendigen Lehren verstehen können.
Im Laufe der Jahrhunderte hat die Kirche Bekenntnisse und Schriften herausgegeben. Diese Schriften haben nicht den gleichen Wert wie die Bibel, sind aber nützlich, um gewisse Fragen zu erläutern. Ein Beispiel dafür ist die Lehre der Dreieinigkeit. Dieser Ausdruck taucht in der Bibel nicht auf, die Lehre, die dahinter steht, ist aber biblisch, weil sie von der Schrift unterstützt wird.
Wenn es um die Interpretation der Schrift geht, müssen wir zwischen wesentlichen und unwichtigen Lehren unterscheiden. Eine wesentliche Lehre ist zum Beispiel, dass wir allein durch den Glauben an Jesus Christus gerettet werden können, nicht durch Werke. Eine nicht so wichtige Lehre ist dagegen die Endzeitlehre. Die Bibel vermittelt wichtige Wahrheiten über die Endzeit, aber nicht alles, was wir vielleicht mit Sicherheit wissen wollen.
Bedeutet Sola Scriptura, dass die Schrift ausreichend ist oder nur nützlich?
Das ist nämlich ein Argument der katholischen Kirche. Katholiken glauben, dass die Bibel wichtig ist, aber nicht ausreichend. Sie enthält nicht alles, was wir wissen müssen, um selig zu werden.
Zwar ist die Stelle von 2.Timotheus 3,16 wichtig, aber sie ist nicht die einzige, welche die Genügsamkeit der Schrift betont. Wir könnten viele andere Passagen zitieren. Dazu einige Beispiele:
- Lukas sagt uns, dass er sein Evangelium geschrieben hat, damit wir den sicheren Grund der Lehre erfahren, in der wir unterrichtet worden sind. Das lässt vermuten, dass mündliche Überlieferungen irren können.
- Johannes betont, dass er sein Evangelium geschrieben hat, damit wir glauben, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist und durch den Glauben das Leben in seinem Namen haben. In seinem ersten Brief sagt er, er habe diese Dinge geschrieben, damit „unsere“ Freude vollkommen sei.
- Auch die Juden, die das Alte Testament überliefert haben, waren der Meinung, dass das Wort Gottes sorgfältig geschrieben werden sollte, um durch mündliche Überlieferung nicht verfälscht zu werden. Wenn die katholische Kirche behauptet, dass zuverlässige Lehren der Kirche auch durch mündliche Überlieferung vermittelt worden sind, verstößt sie klar gegen dieses Prinzip.